Lot Nr. 501


Giacomo Balla *


Giacomo Balla * - Klassische Moderne

(Turin 1871–1958 Rom)
Valori plastici, ca. 1929, signiert Futur Balla, rückseitig signiert Valori Plastici (n. 21) G. Balla, Tempera auf Leinwand, 77 x 77 cm, ger.

Fotozertifikat:
Archivio Elena Gigli, Rom, n. 670, Rom, 9. Juli 2016.

Ein Foto des vorliegenden Werkes befindet sich im Archivio Bio-Iconografico der Galleria Nazionale d’Arte Moderna in Rom.

Provenienz:
Atelier Balla, Rom, verzeichnet im Familiennotizbuch mit der Nr. 309 (rückseitig Orig.-Etikett)
1972 durch den jetzigen Besitzer von den Töchtern des Künstlers erworben, seitdem im Erbgang
Privatsammlung, Italien

Vergleichende Literatur:
Giovanni Lista, Balla, Fonte d’Abisso, Modena, 1982, ein Temperagemälde Nr. 776 (mit Abb.) und eine Collage Nr. 671 (mit Abb.)

Anm.:
Das Thema dieser Arbeit mit dem Titel „Valori Plastici“ wurde durch viele andere Arbeiten inspiriert und entwickelt, wie z.B.: drei unterschiedliche Collagen (Familien-Notizbuch Nr. 135A und 632 und das kreisförmige Bild mit der Nr. 1349); ein Modell für einen Lampenschirm (Biagiotti-Cigna Sammlung, Rom, Inv.Nr. BG 483); ein weiteres Temperabild aus dem Atelier des Künstlers (Familien-Notizbuch Nr. 346) und das „Mondbild“ aus der Pieroni Sammlung, Pescara (Familien-Notitzbuch Nr. 457); das größte gefundene Gemälde (Familien-Notizbuch Nr. 820); zwei Studien für eine Teppich-Dekoration (Familien-Notizbuch Nr. 900 und 1122) sowie ebenfalls ein besticktes Paneel, welches die Tochter des Künstlers, Luce Balla, anfertigte.

„Balla, der größte Künstler unserer Zeiten, gleicht vielleicht einer blitzgeladenen Gewitterwolke, oder, noch viel treffender, einem Tornado, der Schiffwracks mit sich reißt.“
F.T. Marinetti, aus der Vorrede zum Katalog „Mostra del Pittore Balla“, Galleria del Dipinto, Rom, Juni/Juli 1930

Im Manifest „Die Futuristische Rekonstruktion des Universums“ (welches Balla 1915 gemeinsam mit Fortunato Depero verfasste), wird die revolutionäre und absolute Funktion der Kunst für die Neudefinition des bekannten Universums, von Landschaften bis hin zu Haushaltsgegenständen, augenblicklich offenbar.

Ballas Haus war eine Ideenschmiede, in welcher der Künstler, teils als Kunsthandwerker, teils als Magier wunderbar bunte („coloratissimi“) Projekte und Gegenstände schuf und zum Leben erweckte, deren raffinierte Herstellungsbedingungen oftmals Lösungen vorahnen ließen, welche später im modernen Design übernommen wurden.
1962 sah sich der Künstler mit viel Widerwillen gezwungen, sein Heim in Via Paisiello zu verlassen. Via Paisiello war eine grüne Oase zwischen Villa Borghese und der ländlichen Gegend, welche an der Grenzen zwischen Rom und dem Ager Romanus lag, einer landwirtschaftlich genutzten Fläche, die letztlich durch intensive Entwicklungsarbeit zum heutigen Bezirk „Parioli“ im Zentrum von Rom wurde.

Die Stadt breitete sich zunehmend aus und verschlang die angrenzenden Felder und Bäume, welche Balla, der eine intensive Verbindung zur Natur in all ihren Facetten verspürte, als Inspiration gedient hatten.
Aber es war an der Zeit, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und die Balla Familie konnte dank der Unterstützung von Ballas Freund Michele Biancale ein bescheidenes Appartement im römischen Bezirk Delle Vittorie erstehen. Im Jahr 1929 widmete sich Balla, getrieben vom überwältigenden Wunsch, „die Schönheit im Nützlichen geltend zu machen“, mit vollem Tatendrang der Totalrenovierung seines neuen Heims, welches er in einem futuristischen Stil neu auferstehen ließ.
Während man sich in Deutschland aus einer eher negativen Perspektive mit Wohnmodellen beschäftigte, wurde in Rom ein bescheidenes Appartement Zeuge der freudigen Explosion zwangloser Innovation eines Genies, der alles umwandelte. Möbel, Gegenstände und Wände wurden zur Gänze transformiert, keine Ecke blieb unberührt. Entlang des langen Gangs, welcher vom Eingangsbereich ins Hausinnere führte, gab es freigelegte Rohleitungen. Balla beschloss, sie zu verdecken, um den Raum so in eine Galerie umzuwandeln, aber in erster Linie auch, als Gelegenheit, seine futuristische Arbeit zu betrachten.
Zweiundzwanzig rigoros quadratische (77 x 77 cm) Leinwände greifen in historischer Manier die Themen auf, an welchen der Künstler seit den 1910er-Jahren gearbeitet hat:
Von der Lichtstudie in Düsseldorf (Compenetrazione iridescente), bis hin zur Raumstudie (Linee spaziali); von den Linien der Geschwindigkeit kombiniert mit anderen Faktoren (Velocità + forme rumore) bis hin zu Ritmo compenetrato; von den Studien des Himmels (Dinamismo spaziale), des Meers (Linee forza di mare), des Lichts (Ricerca luce ideale) und des Wortes (Buon appetito und Motivo con la parola Balla), bis hin zu Art Deco (Balfiore), und der idealistischen Kunst der 1920er (Istante, Dramma di paesaggio, Simpatia di contrasti).

Beinahe konträr zur futuristischen Forderung, Museen zu zerstören, da diese als Friedhöfe der Kunst betrachtet wurden, verwandelte sich Ballas Heim in ein Haus-Museum. „Valori plastici“ ist eine der besten Innovationen innerhalb der Studien von Bewegung und Licht, welche den Gang bzw. die Galerie in Ballas Haus-säumen; die marmornen Wolken, welche sich am Horizont auftürmen, bewegen sich gewissermaßen von der Vergangenheit über die Skyline der neuen Stadt, die sich erhebt, hinweg. Die Zukunft wird ein Lichtblitz sein.
Wie viel die moderne Kunst dem Genie Ballas schuldet, lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken.

In den Jahren nach seinem Tod sollten viele junge Künstler der neuen Avantgarde sein Studio besuchen: die Forma 1 Gruppe, die jungen Mitglieder der römischen Pop Art Bewegung und der Arte Povera Bewegung.
Das Magazin „Arti Visive“, 1952 von Ettore Colla gegründet, widmete seine erste größere Retrospektive Balla. Piero Dorazio und Giulio Turcato untersuchten Ballas futuristische Gemälde und entwickelten eine neue emotionale Dimension von Linien und Farben, ausgehend von den Dreiecken in Compenetrazioni iridescenti. Mario Schifano zollte dem Futurismus immer wieder Tribut und verwendete industrielles Emaille nach Ballas Vorbild. Die Tüllnetze, welche Balla in vielen Gemälden über die Farboberfläche legte (das Portrait von Primo Carnera campione del Mondo aus 1933 ist wahrscheinlich das berühmteste), zielten darauf ab, dass die Moderne das gemalte Bild in ein druckreifes Bild verwandelt, und dienten gewissermaßen sowohl als Tribut als auch als Prophezeiung der serienhaften Produktion gedruckter Bilder, welche die amerikanischen Künstler Andy Warhol und Roy Lichtenstein später aufgreifen würden.

23.11.2016 - 17:00

Erzielter Preis: **
EUR 320.200,-
Schätzwert:
EUR 150.000,- bis EUR 180.000,-

Giacomo Balla *


(Turin 1871–1958 Rom)
Valori plastici, ca. 1929, signiert Futur Balla, rückseitig signiert Valori Plastici (n. 21) G. Balla, Tempera auf Leinwand, 77 x 77 cm, ger.

Fotozertifikat:
Archivio Elena Gigli, Rom, n. 670, Rom, 9. Juli 2016.

Ein Foto des vorliegenden Werkes befindet sich im Archivio Bio-Iconografico der Galleria Nazionale d’Arte Moderna in Rom.

Provenienz:
Atelier Balla, Rom, verzeichnet im Familiennotizbuch mit der Nr. 309 (rückseitig Orig.-Etikett)
1972 durch den jetzigen Besitzer von den Töchtern des Künstlers erworben, seitdem im Erbgang
Privatsammlung, Italien

Vergleichende Literatur:
Giovanni Lista, Balla, Fonte d’Abisso, Modena, 1982, ein Temperagemälde Nr. 776 (mit Abb.) und eine Collage Nr. 671 (mit Abb.)

Anm.:
Das Thema dieser Arbeit mit dem Titel „Valori Plastici“ wurde durch viele andere Arbeiten inspiriert und entwickelt, wie z.B.: drei unterschiedliche Collagen (Familien-Notizbuch Nr. 135A und 632 und das kreisförmige Bild mit der Nr. 1349); ein Modell für einen Lampenschirm (Biagiotti-Cigna Sammlung, Rom, Inv.Nr. BG 483); ein weiteres Temperabild aus dem Atelier des Künstlers (Familien-Notizbuch Nr. 346) und das „Mondbild“ aus der Pieroni Sammlung, Pescara (Familien-Notitzbuch Nr. 457); das größte gefundene Gemälde (Familien-Notizbuch Nr. 820); zwei Studien für eine Teppich-Dekoration (Familien-Notizbuch Nr. 900 und 1122) sowie ebenfalls ein besticktes Paneel, welches die Tochter des Künstlers, Luce Balla, anfertigte.

„Balla, der größte Künstler unserer Zeiten, gleicht vielleicht einer blitzgeladenen Gewitterwolke, oder, noch viel treffender, einem Tornado, der Schiffwracks mit sich reißt.“
F.T. Marinetti, aus der Vorrede zum Katalog „Mostra del Pittore Balla“, Galleria del Dipinto, Rom, Juni/Juli 1930

Im Manifest „Die Futuristische Rekonstruktion des Universums“ (welches Balla 1915 gemeinsam mit Fortunato Depero verfasste), wird die revolutionäre und absolute Funktion der Kunst für die Neudefinition des bekannten Universums, von Landschaften bis hin zu Haushaltsgegenständen, augenblicklich offenbar.

Ballas Haus war eine Ideenschmiede, in welcher der Künstler, teils als Kunsthandwerker, teils als Magier wunderbar bunte („coloratissimi“) Projekte und Gegenstände schuf und zum Leben erweckte, deren raffinierte Herstellungsbedingungen oftmals Lösungen vorahnen ließen, welche später im modernen Design übernommen wurden.
1962 sah sich der Künstler mit viel Widerwillen gezwungen, sein Heim in Via Paisiello zu verlassen. Via Paisiello war eine grüne Oase zwischen Villa Borghese und der ländlichen Gegend, welche an der Grenzen zwischen Rom und dem Ager Romanus lag, einer landwirtschaftlich genutzten Fläche, die letztlich durch intensive Entwicklungsarbeit zum heutigen Bezirk „Parioli“ im Zentrum von Rom wurde.

Die Stadt breitete sich zunehmend aus und verschlang die angrenzenden Felder und Bäume, welche Balla, der eine intensive Verbindung zur Natur in all ihren Facetten verspürte, als Inspiration gedient hatten.
Aber es war an der Zeit, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und die Balla Familie konnte dank der Unterstützung von Ballas Freund Michele Biancale ein bescheidenes Appartement im römischen Bezirk Delle Vittorie erstehen. Im Jahr 1929 widmete sich Balla, getrieben vom überwältigenden Wunsch, „die Schönheit im Nützlichen geltend zu machen“, mit vollem Tatendrang der Totalrenovierung seines neuen Heims, welches er in einem futuristischen Stil neu auferstehen ließ.
Während man sich in Deutschland aus einer eher negativen Perspektive mit Wohnmodellen beschäftigte, wurde in Rom ein bescheidenes Appartement Zeuge der freudigen Explosion zwangloser Innovation eines Genies, der alles umwandelte. Möbel, Gegenstände und Wände wurden zur Gänze transformiert, keine Ecke blieb unberührt. Entlang des langen Gangs, welcher vom Eingangsbereich ins Hausinnere führte, gab es freigelegte Rohleitungen. Balla beschloss, sie zu verdecken, um den Raum so in eine Galerie umzuwandeln, aber in erster Linie auch, als Gelegenheit, seine futuristische Arbeit zu betrachten.
Zweiundzwanzig rigoros quadratische (77 x 77 cm) Leinwände greifen in historischer Manier die Themen auf, an welchen der Künstler seit den 1910er-Jahren gearbeitet hat:
Von der Lichtstudie in Düsseldorf (Compenetrazione iridescente), bis hin zur Raumstudie (Linee spaziali); von den Linien der Geschwindigkeit kombiniert mit anderen Faktoren (Velocità + forme rumore) bis hin zu Ritmo compenetrato; von den Studien des Himmels (Dinamismo spaziale), des Meers (Linee forza di mare), des Lichts (Ricerca luce ideale) und des Wortes (Buon appetito und Motivo con la parola Balla), bis hin zu Art Deco (Balfiore), und der idealistischen Kunst der 1920er (Istante, Dramma di paesaggio, Simpatia di contrasti).

Beinahe konträr zur futuristischen Forderung, Museen zu zerstören, da diese als Friedhöfe der Kunst betrachtet wurden, verwandelte sich Ballas Heim in ein Haus-Museum. „Valori plastici“ ist eine der besten Innovationen innerhalb der Studien von Bewegung und Licht, welche den Gang bzw. die Galerie in Ballas Haus-säumen; die marmornen Wolken, welche sich am Horizont auftürmen, bewegen sich gewissermaßen von der Vergangenheit über die Skyline der neuen Stadt, die sich erhebt, hinweg. Die Zukunft wird ein Lichtblitz sein.
Wie viel die moderne Kunst dem Genie Ballas schuldet, lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken.

In den Jahren nach seinem Tod sollten viele junge Künstler der neuen Avantgarde sein Studio besuchen: die Forma 1 Gruppe, die jungen Mitglieder der römischen Pop Art Bewegung und der Arte Povera Bewegung.
Das Magazin „Arti Visive“, 1952 von Ettore Colla gegründet, widmete seine erste größere Retrospektive Balla. Piero Dorazio und Giulio Turcato untersuchten Ballas futuristische Gemälde und entwickelten eine neue emotionale Dimension von Linien und Farben, ausgehend von den Dreiecken in Compenetrazioni iridescenti. Mario Schifano zollte dem Futurismus immer wieder Tribut und verwendete industrielles Emaille nach Ballas Vorbild. Die Tüllnetze, welche Balla in vielen Gemälden über die Farboberfläche legte (das Portrait von Primo Carnera campione del Mondo aus 1933 ist wahrscheinlich das berühmteste), zielten darauf ab, dass die Moderne das gemalte Bild in ein druckreifes Bild verwandelt, und dienten gewissermaßen sowohl als Tribut als auch als Prophezeiung der serienhaften Produktion gedruckter Bilder, welche die amerikanischen Künstler Andy Warhol und Roy Lichtenstein später aufgreifen würden.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Klassische Moderne
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 23.11.2016 - 17:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 12.11. - 23.11.2016


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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