Lot Nr. 101 -


Giovanni Battista Pittoni


Giovanni Battista Pittoni - Alte Meister

(Venedig 1687-1767)
Venus in der Schmiede des Vulkan,
Öl auf Leinwand, 82 x 66 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich Sammlung Messinger (als François Boucher - lt. Hinweis auf Fotografie der Witt Library)

Literatur:
F. Zava Boccazzi, Pittoni, Venice 1979, p. 189, cat. 288, fig. 197

Wir danken Enrico Lucchese, der die Zuschreibung an Giambattista Pittoni auf Grundlage einer Fotografie bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes (schriftliche Mitteilung).

In der dem venezianischen Maler des 18. Jahrhunderts gewidmeten Monografie wurde der Aufbewahrungsort des vorliegenden Gemäldes als nicht bekannt angegeben. In der Londoner Witt Library findet sich eine Fotografie des Werks, die auf die Sammlung Messinger als letzten dokumentierten Aufbewahrungsort verweist, wo es François Boucher zugeschrieben wurde, ehe Hermann Voss dies später zugunsten Giambattista Pittonis korrigierte (Zava Boccazzi 1979).

Die häufigen Bezüge zur französischen Schule in der Bibliografie des Künstlers belegen, wie sehr sich Pittoni stilistisch im Einklang mit der subtilen Lieblichkeit der Rokokoästhetik befand (siehe A. Binion, I disegni di Giambattista Pittoni, Florenz 1983, S. 14/15; P. Minguet, Esthétique du Rococo, Paris 1966). Zum Ausdruck kommt dies in der hellen und leuchtenden Farbpalette, der Sorgfalt der Darstellung aller Details - von den Sandalen der Venus und den Armen Aeneas’ im Vordergrund bis zum großen Schraubstock auf Vulkans Werkbank - sowie den anmutigen Figuren, die, geschmeidig und jugendlich, Schritte eines Menuetts auf der Bühne des Melodramas zu vollführen scheinen, als würden sie gleich zum Dekor auf Meißner Porzellan werden.

Das mit feinen Pinseln und einer sparsamen Palette gemalte Bild entstand zudem in einer besonders kosmopolitischen Zeit des Mäzenatentums, in der unter anderem die Serie Tombeaux des Princes in Auftrag gegeben wurde, für die sich der Theaterimpresario Owen McSwiny einsetzte (siehe A. Craievich, Pittoni, Giambattista, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 84, Rom 2015). Im Vergleich zu vielen anderen Werken des Künstlers wie Das Opfer der Polyxena, Iphigenie, Bacchus und Ariadne, Die Großmut des Scipio und weiteren Darstellungen religiöser und weltlicher Themen, die uns in verschiedenen Fassungen bekannt sind und teils von Mitarbeitern seiner Werkstatt ausgeführt wurden, ragt Venus in der Schmiede des Vulkan deutlich hervor. Dies auch deshalb, weil das vorliegende Werk von seiner Hand das einzige ist, in dem sich Pittoni Venus’ Besuch bei Vulkan gewidmet hat.

Die bemerkenswert hohe Qualität des Gemäldes legt in Verbindung mit der Einzigartigkeit des Themas den Schluss nahe, dass es für einen Förderer mit einer besonderen Vorliebe für das Epos Vergils geschaffen wurde. Vergils Werk erlebte im frühen Settecento eine ungewöhnliche Renaissance, die unter anderem in der zeitgenössischen Galleria dell’Eneide des Palazzo Bonaccorsi in Macerata und in dem Libretto Pietro Metastasios Didone abbandonata ihren Ausdruck fand. Die erste Aufführung einer Vertonung in Venedig fand im Dezember 1724 statt; die Musik stammte von Tomaso Albinoni. Das Libretto wurde bis zur Jahrhundertmitte und weit darüber hinaus von zahlreichen Komponisten in Musik gesetzt (siehe E. Selfridge-Field, The Calendar of Venetian Opera. A New Chronology of Venetian Opera and Related Genres 1660-1760, Stanford 2007, S. 377, 420, 472, 532).

Um den in sentimentaler Manier von Metastasios Vorlage abgeleiteten Figuren ausgewogene Züge verleihen zu können, fertigte Giambattista Pittoni eine Reihe von Zeichnungen an, die einst zur Sammlung Salvotti gehörten und heute auf die Galleria dell’Accademia in Venedig und die Fondazione Giorgio Cini in Venedig verteilt sind. Der Künstler hatte diese wahrscheinlich als „Geheimnisse seines Handwerks“ bei der Hand, um sich zu neuen Lösungen anregen zu lassen.

Für das bärtige Profil der Figur Vulkans mit seiner merkwürdig gearbeiteten Mütze verwendete der Künstler den Konterdruck eines Blattes mit Zwei Kopfstudien in der Accademia (siehe Abb. 1). Man hat dieses Blatt auch mit der exotischen Figur Eleasars des ovalen Gemäldes Rebecca am Brunnen in Verbindung gebracht, das sich in einer Privatsammlung befindet (siehe A. Perissa Torrini, Disegni di Giovan Battista Pittoni, Mailand 1998, S. 63, Kat. 37). Was die Zeichnungen Pittonis in der Fondazione Cini betrifft, lässt sich die Geste des Gottes mit der Rückseite eines Blatts in Zusammenhang bringen, das Zwei Studien für einen Unterarm zeigt, während Venus’ Züge auf die Studie des Kopfs einer jungen Frau zurückgehen. Bis dato wurde keine dieser Zeichnungen als vorbereitende Studie für ein Gemälde in Betracht gezogen (siehe A. Craievich, in: G. Pavanello (Hg.), I disegni del Professore. La raccolta Giuseppe Fiocco della Fondazione Giorgio Cini, Ausstellungskatalog, Venedig 2005, S. 89, Kat. 110; S. 134/135, Kat. 188).

Die Gruppe der in der dunklen Höhle fieberhaft arbeitenden Zyklopen erinnert an die naturalistischen Visionen der Maler des Tenebrismus wie Giovanni Battista Langetti, während sich die gleichgewichtige Haltung des Vulkan als akademische Studie nach dem lebenden Modell präsentiert. Von mehreren Zeichnungen in der Sammlung der Fondazione Cini abgesehen (siehe Craievich 2005, op. cit., S. 91-94, Kat. 113-118), verweist die Pose auf Pittonis mehr als wahrscheinlichen Besuch der sogenannten Scuola del nudo bald nach 1715, an der die klassizistischen Maler Antonio Balestra und Gregorio Lazzarini unterrichteten (siehe E. Lucchese, Nel segno della grazia. Antonio Balestra maestro di Anton Maria Zanetti e nella „Scuola del nudo“ di Giambattista Tiepolo, in: Valori Tattili, 2017/9, S. 166-171). Giambattista Pittoni scheint auch sehr von Balestras Vorstellungen von grazia (Anmut) und verità (Wahrheit) beeinflusst worden zu sein, die auch mit den Pastellen Rosalba Carrieras in Zusammenhang gebracht worden sind (siehe A. Mariuz, La Pittura (I), in: Storia di Venezia. Temi. L’arte, II, hrsg. von R. Pallucchini, Rom 1995, S. 286) und die Originalität des vorliegenden außergewöhnlichen Gemäldes Venus in der Schmiede des Vulkan geprägt haben.

23.10.2018 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 61.447,-
Schätzwert:
EUR 40.000,- bis EUR 60.000,-

Giovanni Battista Pittoni


(Venedig 1687-1767)
Venus in der Schmiede des Vulkan,
Öl auf Leinwand, 82 x 66 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich Sammlung Messinger (als François Boucher - lt. Hinweis auf Fotografie der Witt Library)

Literatur:
F. Zava Boccazzi, Pittoni, Venice 1979, p. 189, cat. 288, fig. 197

Wir danken Enrico Lucchese, der die Zuschreibung an Giambattista Pittoni auf Grundlage einer Fotografie bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes (schriftliche Mitteilung).

In der dem venezianischen Maler des 18. Jahrhunderts gewidmeten Monografie wurde der Aufbewahrungsort des vorliegenden Gemäldes als nicht bekannt angegeben. In der Londoner Witt Library findet sich eine Fotografie des Werks, die auf die Sammlung Messinger als letzten dokumentierten Aufbewahrungsort verweist, wo es François Boucher zugeschrieben wurde, ehe Hermann Voss dies später zugunsten Giambattista Pittonis korrigierte (Zava Boccazzi 1979).

Die häufigen Bezüge zur französischen Schule in der Bibliografie des Künstlers belegen, wie sehr sich Pittoni stilistisch im Einklang mit der subtilen Lieblichkeit der Rokokoästhetik befand (siehe A. Binion, I disegni di Giambattista Pittoni, Florenz 1983, S. 14/15; P. Minguet, Esthétique du Rococo, Paris 1966). Zum Ausdruck kommt dies in der hellen und leuchtenden Farbpalette, der Sorgfalt der Darstellung aller Details - von den Sandalen der Venus und den Armen Aeneas’ im Vordergrund bis zum großen Schraubstock auf Vulkans Werkbank - sowie den anmutigen Figuren, die, geschmeidig und jugendlich, Schritte eines Menuetts auf der Bühne des Melodramas zu vollführen scheinen, als würden sie gleich zum Dekor auf Meißner Porzellan werden.

Das mit feinen Pinseln und einer sparsamen Palette gemalte Bild entstand zudem in einer besonders kosmopolitischen Zeit des Mäzenatentums, in der unter anderem die Serie Tombeaux des Princes in Auftrag gegeben wurde, für die sich der Theaterimpresario Owen McSwiny einsetzte (siehe A. Craievich, Pittoni, Giambattista, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 84, Rom 2015). Im Vergleich zu vielen anderen Werken des Künstlers wie Das Opfer der Polyxena, Iphigenie, Bacchus und Ariadne, Die Großmut des Scipio und weiteren Darstellungen religiöser und weltlicher Themen, die uns in verschiedenen Fassungen bekannt sind und teils von Mitarbeitern seiner Werkstatt ausgeführt wurden, ragt Venus in der Schmiede des Vulkan deutlich hervor. Dies auch deshalb, weil das vorliegende Werk von seiner Hand das einzige ist, in dem sich Pittoni Venus’ Besuch bei Vulkan gewidmet hat.

Die bemerkenswert hohe Qualität des Gemäldes legt in Verbindung mit der Einzigartigkeit des Themas den Schluss nahe, dass es für einen Förderer mit einer besonderen Vorliebe für das Epos Vergils geschaffen wurde. Vergils Werk erlebte im frühen Settecento eine ungewöhnliche Renaissance, die unter anderem in der zeitgenössischen Galleria dell’Eneide des Palazzo Bonaccorsi in Macerata und in dem Libretto Pietro Metastasios Didone abbandonata ihren Ausdruck fand. Die erste Aufführung einer Vertonung in Venedig fand im Dezember 1724 statt; die Musik stammte von Tomaso Albinoni. Das Libretto wurde bis zur Jahrhundertmitte und weit darüber hinaus von zahlreichen Komponisten in Musik gesetzt (siehe E. Selfridge-Field, The Calendar of Venetian Opera. A New Chronology of Venetian Opera and Related Genres 1660-1760, Stanford 2007, S. 377, 420, 472, 532).

Um den in sentimentaler Manier von Metastasios Vorlage abgeleiteten Figuren ausgewogene Züge verleihen zu können, fertigte Giambattista Pittoni eine Reihe von Zeichnungen an, die einst zur Sammlung Salvotti gehörten und heute auf die Galleria dell’Accademia in Venedig und die Fondazione Giorgio Cini in Venedig verteilt sind. Der Künstler hatte diese wahrscheinlich als „Geheimnisse seines Handwerks“ bei der Hand, um sich zu neuen Lösungen anregen zu lassen.

Für das bärtige Profil der Figur Vulkans mit seiner merkwürdig gearbeiteten Mütze verwendete der Künstler den Konterdruck eines Blattes mit Zwei Kopfstudien in der Accademia (siehe Abb. 1). Man hat dieses Blatt auch mit der exotischen Figur Eleasars des ovalen Gemäldes Rebecca am Brunnen in Verbindung gebracht, das sich in einer Privatsammlung befindet (siehe A. Perissa Torrini, Disegni di Giovan Battista Pittoni, Mailand 1998, S. 63, Kat. 37). Was die Zeichnungen Pittonis in der Fondazione Cini betrifft, lässt sich die Geste des Gottes mit der Rückseite eines Blatts in Zusammenhang bringen, das Zwei Studien für einen Unterarm zeigt, während Venus’ Züge auf die Studie des Kopfs einer jungen Frau zurückgehen. Bis dato wurde keine dieser Zeichnungen als vorbereitende Studie für ein Gemälde in Betracht gezogen (siehe A. Craievich, in: G. Pavanello (Hg.), I disegni del Professore. La raccolta Giuseppe Fiocco della Fondazione Giorgio Cini, Ausstellungskatalog, Venedig 2005, S. 89, Kat. 110; S. 134/135, Kat. 188).

Die Gruppe der in der dunklen Höhle fieberhaft arbeitenden Zyklopen erinnert an die naturalistischen Visionen der Maler des Tenebrismus wie Giovanni Battista Langetti, während sich die gleichgewichtige Haltung des Vulkan als akademische Studie nach dem lebenden Modell präsentiert. Von mehreren Zeichnungen in der Sammlung der Fondazione Cini abgesehen (siehe Craievich 2005, op. cit., S. 91-94, Kat. 113-118), verweist die Pose auf Pittonis mehr als wahrscheinlichen Besuch der sogenannten Scuola del nudo bald nach 1715, an der die klassizistischen Maler Antonio Balestra und Gregorio Lazzarini unterrichteten (siehe E. Lucchese, Nel segno della grazia. Antonio Balestra maestro di Anton Maria Zanetti e nella „Scuola del nudo“ di Giambattista Tiepolo, in: Valori Tattili, 2017/9, S. 166-171). Giambattista Pittoni scheint auch sehr von Balestras Vorstellungen von grazia (Anmut) und verità (Wahrheit) beeinflusst worden zu sein, die auch mit den Pastellen Rosalba Carrieras in Zusammenhang gebracht worden sind (siehe A. Mariuz, La Pittura (I), in: Storia di Venezia. Temi. L’arte, II, hrsg. von R. Pallucchini, Rom 1995, S. 286) und die Originalität des vorliegenden außergewöhnlichen Gemäldes Venus in der Schmiede des Vulkan geprägt haben.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 23.10.2018 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.10. - 23.10.2018


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer(für Lieferland Österreich)

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