Lot Nr. 45


Jusepe de Ribera


Jusepe de Ribera - Alte Meister I

(Játiva 1591–1652 Neapel)
Christus und der Dämon,
Öl auf Leinwand, 89 x 114,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Christie’s, Mailand, 22. Mai 2007, Lot 84 (als Nachfolger von/Seguace di Pietro Novelli, il Monrealese);
europäische Privatsammlung

Literatur:
N. Spinosa, Ribera. La obra completa, Madrid 2008, S. 305, Abb. S. 306 (als Jusepe de Ribera);
N. Spinosa, Los últimos descubrimientos, in: Ars magazine: revista de arte y coleccionismo, Nr. 1, Madrid 2008, S. 107–109, mit Abb. (als Jusepe de Ribera);
M. Carignani di Novoli, Dall’ombra alla luce. Le committenze di Mario Farnese fra Caravaggio e Ribera; Virginio Cesarini e Ribera, Neapel 2013, S. 56f., mit Abb. (als Jusepe de Ribera)

Wir danken Nicola Spinosa für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Werks.

Die Szene des vorliegenden Gemäldes ist bei Nacht angesiedelt und fällt ob ihrer gewollten Sparsamkeit ins Auge. Fast nichts ist von der Landschaft geblieben bis auf den Stamm eines alten Baumes rechts. Nur zwei Figuren treten aus dem Schatten hervor: Christus, mit blassen, ausgezehrten Zügen und halb geschlossenen Augen, gezeichnet vom Fasten und der großen Anstrengung, den Schmeicheleien seines Verführers nicht zu erliegen. Das Werk zeichnet sich durch das bildbeherrschende großflächige und undurchdringliche Schwarz und den großen Realismus der Protagonisten aus.

Die Darstellung des Themas ist ungewöhnlich; nur wenige Beispiele aus dem 17. Jahrhundert sind bekannt. Es ist dem Matthäusevangelium (4, 1–18, 35) entnommen, wo es heißt: „Da ward Jesus von dem Geist in die Wüste geführt, dass er von dem Teufel versucht würde. Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. Und er antwortete und sprach: Es steht geschrieben: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes geht.“ Doch im Gegensatz zur Heiligen Schrift hält der Dämon keine Steine in Händen, sondern Brotlaibe. Hat Christus die Steine also in Brot verwandelt, um seine Macht zu demonstrieren, und nimmt aber davon Abstand, nach dem Essen zu greifen, indem er den Qualen des Hungers nach vierzig Tagen Fasten widersteht?

Bei dem besprochenen Gemälde handelt es sich um eine wichtige Hinzufügung zum Korpus der seltenen Werke aus der frühen römischen Schaffenszeit Jusepe de Riberas. Aus der Zeit vor 1611, als Ribera in Parma dokumentiert ist, kennt man praktisch nichts von seiner Hand, sodass diese Periode noch einen wichtigen Forschungsschwerpunkt darstellt. Aufgrund der Entdeckung bestimmter Frühwerke, zu denen auch das vorliegende Gemälde zu zählen ist, erweist sich Ribera als einflussreiche Figur in Rom in den unmittelbar auf Caravaggios Abreise 1606 folgenden Jahren.

Stilistisch lässt sich Christus und der Dämon mit bekannten Werken Riberas aus den ersten beiden Dekaden des Jahrhunderts vergleichen. Das Gemälde, das um 1610/1611 datiert werden kann, steht der zum Teil rekonstruierbaren Serie halbfiguriger Apostel nahe. Ihre Werke hat man zuvor dem Meister des salomonischen Urteils zugewiesen, doch in der Zwischenzeit Ribera zurückgegeben (siehe G. Papi, Ribera a Roma, Soncino 2007, S. 129–132, Tafel I–IIIb). Aus dieser Apostelserie, die sich heute auf öffentliche und private Sammlungen aufteilt, bieten sich besonders der Evangelist Johannes im Louvre in Paris (Inv.-Nr. RF 2012 8), der Heilige Matthäus in einer Pariser Privatsammlung, der Heilige Thomas im Szépművészeti Múzeum in Budapest und der Heilige Jakobus der Jüngere in der Sammlung Néger (ehemals Galerie Caylus, Paris) als Vergleiche an. Komplettiert wurde die Serie vom Segnenden Christus, der als das heute in der Kirche von Nivillac in der Bretagne befindliche Gemälde gelten kann. Diese Werkgruppe, die aus einer sehr frühen Zeit des Aufenthalts des Künstlers in Rom datiert, zeichnet sich durch eine flüssige Malweise aus, deren Pinselführung sich weich und kompakt präsentiert. Riberas ebenfalls um 1611 zu datierende Salome mit dem Haupt Johannes’ des Täufers zeichnet sich im Gegensatz zu den Aposteln durch ein hohes Maß an Dekoration aus (siehe Sotheby’s, New York, 31. Jänner 2019, Lot 57).

Die physiognomischen Ähnlichkeiten zwischen dem Christus von Nivillac und jenem des vorliegenden Gemäldes sind bemerkenswert. In dieser Hinsicht sind auch Christus und die Frau von Samaria (Privatsammlung, Paris) und die Erweckung des Lazarus (Museo del Prado) vergleichen.

Riberas gesamtes Schaffen hindurch, insbesondere jedoch während seiner sogenannten römischen Periode, lässt sich die Wiederkehr bestimmter Gesichtstypen beobachten, was nahelegt, dass der Maler häufig auf dieselben Modelle zurückgegriffen hat, um echte „Porträts nach dem Leben“ zu gestalten. Dass Ribera das reale Modell vor sich hatte, lässt sich auch an der eindrucksvollen Charakterisierung und an der außergewöhnlichen Innenschau erkennen, die in den Gesichtszügen seiner Dargestellten zum Ausdruck kommt. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Züge von Christus und dem Teufel im vorliegenden Gemälde tatsächlich jenen zweier wichtiger Mitglieder der kulturellen Elite Roms entsprechen: Don Virginio Cesarinis (1595–1624) und Cassiano dal Pozzos (1588–1657). Diese Auffassung, die nach dem Dafürhalten Nicola Spinosas nicht überzeugt, würde eine spätere Datierung des Gemäldes zwischen 1620 und 1622 bedingen, also in jene Zeit, als Cesarini und dal Pozzo wegen der Aufnahme des Letzteren in die Accademia dei Lincei miteinander in Kontakt standen (siehe M. Carignani di Novoli 2013, S. 53–62). Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die beiden Herren nicht erst am Beginn der 1620er-Jahre, sondern bereits zehn Jahre früher aufeinandertrafen (siehe Spinosa 2008, S. 109, Anm. 4).

Im spanischen Játiva gebürtig, mag Jusepe de Ribera in jungen Jahren seine erste Ausbildung in der Werkstatt Francesco Ribaltas erhalten haben. Dies kann weder bestätigt noch verworfen werden, zumal man, wie schon eingangs erwähnt, über die Tätigkeit des Künstlers vor seiner Zeit in Parma, aus der sein erstes italienisches Gemälde, Der Heilige Martin und der Bettler für die Kirche San Prospero (heute verloren), dokumentiert ist, nicht viel weiß. Dass der Künstler, möglicherweise aufgrund der Protektion Mario Farneses, einen so wichtigen Auftrag erhalten hatte, lässt den Schluss zu, dass er früher in Italien eingetroffen ist und sich bereits einen Ruf als Maler erwerben konnte. Von Giulio Mancini wissen wir zum Beispiel, dass der Marquis Vincenzo Giustiniani dreizehn Gemälde Riberas besaß (sein größter Bestand von Werken eines einzelnen Künstlers neben jenen Caravaggios), die allesamt der Ausstattung eines einzigen Raums im Palast des Adeligen dienten. Es ist daher vorstellbar, dass Ribera, angezogen vom Ruhm der größten italienischen Künstler und möglicherweise dank der Unterstützung eines Verwandten oder Freundes der Familie, bereits um 1608/1609 in Italien eintraf und sich höchstwahrscheinlich in Rom niederließ, um seine Ausbildung durch das Studium der berühmten italienischen Meister abzurunden, zu denen man nur dort Zugang hatte. Jüngste Forschungen gehen sogar von einer Ankunft des Spaniers in Italien im Jahr 1606 aus (siehe G. Porzio, A. D’Alessandro, Ribera between Rom and Naples: New Documentary Evidence, in: The Burlington Magazine, 157, 2015, S. 682f.). Nach seinem Aufenthalt in der Emilia, kehrte Ribera nach Rom zurück, wo er bis 1616 blieb und dann für immer nach Neapel zog. In der Ewigen Stadt fiel die Wahl des Künstlers zielsicher auf den Stil des Realismus, vor allem dank seiner direkten Kenntnis der Werke Caravaggios und seines unmittelbaren Kreises von Nachfolgern in Rom, unter denen sich auch viele Maler des Nordens befanden, vor allem Franzosen und Flamen, die sich am Vorbild des lombardischen Meisters abarbeiteten. Riberas Werke lassen jedoch eine Eigenständigkeit und einen gegenüber Michelangelo Merisi völlig neuen Umgang mit Bildthemen und Bildraum erkennen.

Auf der Rückseite des vorliegenden Gemäldes wird durch die Doublierung hindurch die teilweise sichtbare Bezeichnung „A. [S.?]“ lesbar, was nahelegen könnte, dass das Gemälde von der Segnatura Apostolica, dem höchsten kirchlichen Tribunal des Heiligen Stuhls, begutachtet wurde.

Technische Untersuchung durch Gianluca Poldi:

Unter dem Mikroskop zeigt sich, dass das Werk über weißgrauem Grund gemalt ist. Mittels IRR und TIR lassen sich kleine Veränderungen in der Komposition erkennen, etwa im Rückenprofil des Satans, der weiter nach vorne gebeugt war, und im Haupt Christi, das über dem Nacken etwas breiter war. Mittels IRR erschließt sich auch der Aufbau des Faltenwurfs des dunklen Umhangs Christi, der spektroskopischen Untersuchungen und einer Fehlfarbendarstellung zufolge ein schwarzes sowie ein blaues Pigment, vermutlich Indigo, enthält.

Mittels TIR lässt sich der Großbuchstabe „A“ auf der nunmehr doublierten Originalleinwand erkennen.

Die sparsame Palette umfasst braunen Ocker und braune Erden gemischt mit Bleiweiß und Schwarz im Gewand Christi, im Mantel des Teufels und im Baumstamm rechts. Die Hauttöne wurden durch die Hinzufügung von Zinnober, braunem Ocker und braunen Erden sowie sparsamen Mengen grüner Erde zu Bleiweiß erzielt. Zinnober kam auch beim schwarzbraunen Hintergrund in Verbindung mit Schwarz zum Einsatz. Der eigenartige grüne Farbton des Gewandes Christi enthält ebenfalls grüne Erde in Verbindung mit braunen Eisenoxiden, Schwarz und Zinnober.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

10.11.2021 - 16:00

Schätzwert:
EUR 400.000,- bis EUR 600.000,-

Jusepe de Ribera


(Játiva 1591–1652 Neapel)
Christus und der Dämon,
Öl auf Leinwand, 89 x 114,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Christie’s, Mailand, 22. Mai 2007, Lot 84 (als Nachfolger von/Seguace di Pietro Novelli, il Monrealese);
europäische Privatsammlung

Literatur:
N. Spinosa, Ribera. La obra completa, Madrid 2008, S. 305, Abb. S. 306 (als Jusepe de Ribera);
N. Spinosa, Los últimos descubrimientos, in: Ars magazine: revista de arte y coleccionismo, Nr. 1, Madrid 2008, S. 107–109, mit Abb. (als Jusepe de Ribera);
M. Carignani di Novoli, Dall’ombra alla luce. Le committenze di Mario Farnese fra Caravaggio e Ribera; Virginio Cesarini e Ribera, Neapel 2013, S. 56f., mit Abb. (als Jusepe de Ribera)

Wir danken Nicola Spinosa für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Werks.

Die Szene des vorliegenden Gemäldes ist bei Nacht angesiedelt und fällt ob ihrer gewollten Sparsamkeit ins Auge. Fast nichts ist von der Landschaft geblieben bis auf den Stamm eines alten Baumes rechts. Nur zwei Figuren treten aus dem Schatten hervor: Christus, mit blassen, ausgezehrten Zügen und halb geschlossenen Augen, gezeichnet vom Fasten und der großen Anstrengung, den Schmeicheleien seines Verführers nicht zu erliegen. Das Werk zeichnet sich durch das bildbeherrschende großflächige und undurchdringliche Schwarz und den großen Realismus der Protagonisten aus.

Die Darstellung des Themas ist ungewöhnlich; nur wenige Beispiele aus dem 17. Jahrhundert sind bekannt. Es ist dem Matthäusevangelium (4, 1–18, 35) entnommen, wo es heißt: „Da ward Jesus von dem Geist in die Wüste geführt, dass er von dem Teufel versucht würde. Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. Und er antwortete und sprach: Es steht geschrieben: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes geht.“ Doch im Gegensatz zur Heiligen Schrift hält der Dämon keine Steine in Händen, sondern Brotlaibe. Hat Christus die Steine also in Brot verwandelt, um seine Macht zu demonstrieren, und nimmt aber davon Abstand, nach dem Essen zu greifen, indem er den Qualen des Hungers nach vierzig Tagen Fasten widersteht?

Bei dem besprochenen Gemälde handelt es sich um eine wichtige Hinzufügung zum Korpus der seltenen Werke aus der frühen römischen Schaffenszeit Jusepe de Riberas. Aus der Zeit vor 1611, als Ribera in Parma dokumentiert ist, kennt man praktisch nichts von seiner Hand, sodass diese Periode noch einen wichtigen Forschungsschwerpunkt darstellt. Aufgrund der Entdeckung bestimmter Frühwerke, zu denen auch das vorliegende Gemälde zu zählen ist, erweist sich Ribera als einflussreiche Figur in Rom in den unmittelbar auf Caravaggios Abreise 1606 folgenden Jahren.

Stilistisch lässt sich Christus und der Dämon mit bekannten Werken Riberas aus den ersten beiden Dekaden des Jahrhunderts vergleichen. Das Gemälde, das um 1610/1611 datiert werden kann, steht der zum Teil rekonstruierbaren Serie halbfiguriger Apostel nahe. Ihre Werke hat man zuvor dem Meister des salomonischen Urteils zugewiesen, doch in der Zwischenzeit Ribera zurückgegeben (siehe G. Papi, Ribera a Roma, Soncino 2007, S. 129–132, Tafel I–IIIb). Aus dieser Apostelserie, die sich heute auf öffentliche und private Sammlungen aufteilt, bieten sich besonders der Evangelist Johannes im Louvre in Paris (Inv.-Nr. RF 2012 8), der Heilige Matthäus in einer Pariser Privatsammlung, der Heilige Thomas im Szépművészeti Múzeum in Budapest und der Heilige Jakobus der Jüngere in der Sammlung Néger (ehemals Galerie Caylus, Paris) als Vergleiche an. Komplettiert wurde die Serie vom Segnenden Christus, der als das heute in der Kirche von Nivillac in der Bretagne befindliche Gemälde gelten kann. Diese Werkgruppe, die aus einer sehr frühen Zeit des Aufenthalts des Künstlers in Rom datiert, zeichnet sich durch eine flüssige Malweise aus, deren Pinselführung sich weich und kompakt präsentiert. Riberas ebenfalls um 1611 zu datierende Salome mit dem Haupt Johannes’ des Täufers zeichnet sich im Gegensatz zu den Aposteln durch ein hohes Maß an Dekoration aus (siehe Sotheby’s, New York, 31. Jänner 2019, Lot 57).

Die physiognomischen Ähnlichkeiten zwischen dem Christus von Nivillac und jenem des vorliegenden Gemäldes sind bemerkenswert. In dieser Hinsicht sind auch Christus und die Frau von Samaria (Privatsammlung, Paris) und die Erweckung des Lazarus (Museo del Prado) vergleichen.

Riberas gesamtes Schaffen hindurch, insbesondere jedoch während seiner sogenannten römischen Periode, lässt sich die Wiederkehr bestimmter Gesichtstypen beobachten, was nahelegt, dass der Maler häufig auf dieselben Modelle zurückgegriffen hat, um echte „Porträts nach dem Leben“ zu gestalten. Dass Ribera das reale Modell vor sich hatte, lässt sich auch an der eindrucksvollen Charakterisierung und an der außergewöhnlichen Innenschau erkennen, die in den Gesichtszügen seiner Dargestellten zum Ausdruck kommt. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Züge von Christus und dem Teufel im vorliegenden Gemälde tatsächlich jenen zweier wichtiger Mitglieder der kulturellen Elite Roms entsprechen: Don Virginio Cesarinis (1595–1624) und Cassiano dal Pozzos (1588–1657). Diese Auffassung, die nach dem Dafürhalten Nicola Spinosas nicht überzeugt, würde eine spätere Datierung des Gemäldes zwischen 1620 und 1622 bedingen, also in jene Zeit, als Cesarini und dal Pozzo wegen der Aufnahme des Letzteren in die Accademia dei Lincei miteinander in Kontakt standen (siehe M. Carignani di Novoli 2013, S. 53–62). Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die beiden Herren nicht erst am Beginn der 1620er-Jahre, sondern bereits zehn Jahre früher aufeinandertrafen (siehe Spinosa 2008, S. 109, Anm. 4).

Im spanischen Játiva gebürtig, mag Jusepe de Ribera in jungen Jahren seine erste Ausbildung in der Werkstatt Francesco Ribaltas erhalten haben. Dies kann weder bestätigt noch verworfen werden, zumal man, wie schon eingangs erwähnt, über die Tätigkeit des Künstlers vor seiner Zeit in Parma, aus der sein erstes italienisches Gemälde, Der Heilige Martin und der Bettler für die Kirche San Prospero (heute verloren), dokumentiert ist, nicht viel weiß. Dass der Künstler, möglicherweise aufgrund der Protektion Mario Farneses, einen so wichtigen Auftrag erhalten hatte, lässt den Schluss zu, dass er früher in Italien eingetroffen ist und sich bereits einen Ruf als Maler erwerben konnte. Von Giulio Mancini wissen wir zum Beispiel, dass der Marquis Vincenzo Giustiniani dreizehn Gemälde Riberas besaß (sein größter Bestand von Werken eines einzelnen Künstlers neben jenen Caravaggios), die allesamt der Ausstattung eines einzigen Raums im Palast des Adeligen dienten. Es ist daher vorstellbar, dass Ribera, angezogen vom Ruhm der größten italienischen Künstler und möglicherweise dank der Unterstützung eines Verwandten oder Freundes der Familie, bereits um 1608/1609 in Italien eintraf und sich höchstwahrscheinlich in Rom niederließ, um seine Ausbildung durch das Studium der berühmten italienischen Meister abzurunden, zu denen man nur dort Zugang hatte. Jüngste Forschungen gehen sogar von einer Ankunft des Spaniers in Italien im Jahr 1606 aus (siehe G. Porzio, A. D’Alessandro, Ribera between Rom and Naples: New Documentary Evidence, in: The Burlington Magazine, 157, 2015, S. 682f.). Nach seinem Aufenthalt in der Emilia, kehrte Ribera nach Rom zurück, wo er bis 1616 blieb und dann für immer nach Neapel zog. In der Ewigen Stadt fiel die Wahl des Künstlers zielsicher auf den Stil des Realismus, vor allem dank seiner direkten Kenntnis der Werke Caravaggios und seines unmittelbaren Kreises von Nachfolgern in Rom, unter denen sich auch viele Maler des Nordens befanden, vor allem Franzosen und Flamen, die sich am Vorbild des lombardischen Meisters abarbeiteten. Riberas Werke lassen jedoch eine Eigenständigkeit und einen gegenüber Michelangelo Merisi völlig neuen Umgang mit Bildthemen und Bildraum erkennen.

Auf der Rückseite des vorliegenden Gemäldes wird durch die Doublierung hindurch die teilweise sichtbare Bezeichnung „A. [S.?]“ lesbar, was nahelegen könnte, dass das Gemälde von der Segnatura Apostolica, dem höchsten kirchlichen Tribunal des Heiligen Stuhls, begutachtet wurde.

Technische Untersuchung durch Gianluca Poldi:

Unter dem Mikroskop zeigt sich, dass das Werk über weißgrauem Grund gemalt ist. Mittels IRR und TIR lassen sich kleine Veränderungen in der Komposition erkennen, etwa im Rückenprofil des Satans, der weiter nach vorne gebeugt war, und im Haupt Christi, das über dem Nacken etwas breiter war. Mittels IRR erschließt sich auch der Aufbau des Faltenwurfs des dunklen Umhangs Christi, der spektroskopischen Untersuchungen und einer Fehlfarbendarstellung zufolge ein schwarzes sowie ein blaues Pigment, vermutlich Indigo, enthält.

Mittels TIR lässt sich der Großbuchstabe „A“ auf der nunmehr doublierten Originalleinwand erkennen.

Die sparsame Palette umfasst braunen Ocker und braune Erden gemischt mit Bleiweiß und Schwarz im Gewand Christi, im Mantel des Teufels und im Baumstamm rechts. Die Hauttöne wurden durch die Hinzufügung von Zinnober, braunem Ocker und braunen Erden sowie sparsamen Mengen grüner Erde zu Bleiweiß erzielt. Zinnober kam auch beim schwarzbraunen Hintergrund in Verbindung mit Schwarz zum Einsatz. Der eigenartige grüne Farbton des Gewandes Christi enthält ebenfalls grüne Erde in Verbindung mit braunen Eisenoxiden, Schwarz und Zinnober.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

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Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2021 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 29.10. - 10.11.2021