Lot Nr. 219


Enrico Castellani *


(Castelmassa, Rovigo 1930 – 2017 Viterbo)
Superficie bianca, 1983, rückseitig signiert, datiert und betitelt, Acryl auf geformter Leinwand, 180 x 180 cm, in Plexiglasbox

Das Werk ist beim Archivio Castellani, Mailand, registriert. Ein Fotozertifikat liegt bei.

Provenienz:
Galleria Pero, Mailand
Tornabuoni Arte, Florenz
Auktion Sotheby’s London, 20. Oktober 2008, Los 28
Europäische Privatsammlung

Ausgestellt:
Pistoia, Enrico Castellani, Studio La Torre, 1983
Mailand, Enrico Castellani, Superfici 1960 - 1980, Galleria Pero, Februar - März 1984
Paris, Enrico Castellani, Tornabuoni Arte, 14. Oktober -
15. Dezember 2011, Ausst.-Kat. S. 127, mit Abb.

Literatur:
Ausst.-Kat., Florenz, Centro Tornabuoni, Maestri della Pittura Moderna. Opere Scelte 1989-1990, 1989, S. 21,
mit Abb.
Ausst.-Kat., Perugia, Centro Espositivo Rocca Paolina, Trilogia 4. Castellani - Fogliati - Albanese, 1994, S. 10, mit Abb.
S. Magri (Hrsg.), Frammenti di universi paralleli, in „Arte In“, Venedig, Oktober - November 2011, S. 65
M. Codognato (Hrsg.), Monocromia ultima chance della pittura, in "Arte", Mailand, Oktober 2011, S. 112
R. Wirz, F. Sardella (Hrsg.), Enrico Castellani. Catalogo ragionato, Opere 1955-2005, Skira, Mailand 2012, Bd. II, S. 468, Nr. 551 mit Abb.

Wie man in Enrico Castellanis Schriftensammlung (Scritti, Mailand 2021, S. 16) nachlesen kann, betrachtet er die Monochromie als „die letzte Chance der Malerei, sich von anderen Künsten zu unterscheiden“. Ein Beispiel dafür ist das große Relief mit dem Titel Superficie bianca (Weiße Oberfläche), das der Künstler in Jahr 1983 schuf.

Für Castellani ist die Farbe nicht mehr ein Bestandteil der Komposition, der als Mittel zur Abgrenzung eines Bildes verstanden wird, sondern eine materielle Komponente, die wie ein Filter wirkt, der je nach gewünschtem Lichteffekt auf dem Untergrund verteilt wird. Der Protagonist des Werks ist das Licht, das mit den Vertiefungen und Reliefs spielt, die auf der Leinwand durch die Nägel entstehen, die von der Rückseite des Werks nach unten gedrückt werden, und uns eine Dreidimensionalität verleiht, die es sonst nicht gäbe.

Wie sehr ein so scheinbar einfacher schöpferischer Akt eine viel tiefere kritische Reflexion in sich birgt, lässt sich an der Reaktion der vorangegangenen Künstlergeneration auf die ersten Werke dieser Art ablesen, wie er selbst beschreibt (Scritti 1958-2012, Mailand 2021, S. 101): „Als wir jung waren, hielten uns die Älteren für Ketzer und Bilderstürmer, und sie hatten Recht. Sie hatten Unrecht, als sie uns verteufelten, weil wir nicht die gleichen Mittel und die gleiche Sprache benutzten wie sie. Wenn es nun eine Tätigkeit gibt (ich nenne sie nicht Beruf oder Gewerbe), bei der man frei die geeignetsten Techniken erfinden darf, um seine Sprache zu vermitteln, dann ist das eben die künstlerische Tätigkeit.“

Castellani skizzierte jene Zeichen (die später für seine Sprache charakteristisch wurden) Ende der 1950er Jahre, kurz nachdem er seine eigenen künstlerischen Forschungen über „Oberflächen“ begonnen hatte: Die Leinwand ist durch eine Reihe von Intro- und Extroflexionen gekennzeichnet, die durch Nägel erzielt werden, die in den als Träger dienenden Rahmen geschlagen sind. Der Abstand, in dem die Nägel eingeschlagen werden, schafft einen Rhythmus, der sich von einem Werk zum nächsten ändert, wobei durch den Lichteinfall auf die Oberfläche immer neue Hell-Dunkel-Effekte erzielt werden. Die Monochromie und die Rhythmik (die die Abstände zwischen den Nägeln markiert) sind seine einzigen kompositorischen Elemente, die notwendig sind, um in seinen Werken zwei kontrastierende und gleichzeitig perfekt koexistierende Ergebnisse zu erzielen, die er in seinem Essay Continuità e nuovo (Kontinuität und das Neue) von 1960 als das „Konkrete der Unendlichkeit“ und die „Konjugation der Zeit“ bezeichnet.

Diese so definierte und radikale Sprache ist schon in seinen frühesten Werken deutlich erkennbar und bildet die Konstante in seinem gesamten künstlerischen Schaffen, das auch nach zwanzig Jahren, wie im Fall des hier vorgestellten Werks, sehr konsequent bleibt. Eine Kombination von Faktoren, die immer gleich zu sein scheinen, aber in Wirklichkeit immer neu und einzigartig sind – das Licht ist es, das jeder Leinwand ihre eigene Identität verleiht. Im Fall dieser Superficie bianca ist der wahrgenommene Effekt stroboskopisch, als ob eine Spiegelkugel auf eine weiche Schicht gedrückt worden wäre und beim Durchlaufen Rillen hinterlassen hätte.

Experte: Alessandro Rizzi Alessandro Rizzi
+39-02-303 52 41

alessandro.rizzi@dorotheum.it

29.11.2023 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 429.000,-
Schätzwert:
EUR 350.000,- bis EUR 500.000,-

Enrico Castellani *


(Castelmassa, Rovigo 1930 – 2017 Viterbo)
Superficie bianca, 1983, rückseitig signiert, datiert und betitelt, Acryl auf geformter Leinwand, 180 x 180 cm, in Plexiglasbox

Das Werk ist beim Archivio Castellani, Mailand, registriert. Ein Fotozertifikat liegt bei.

Provenienz:
Galleria Pero, Mailand
Tornabuoni Arte, Florenz
Auktion Sotheby’s London, 20. Oktober 2008, Los 28
Europäische Privatsammlung

Ausgestellt:
Pistoia, Enrico Castellani, Studio La Torre, 1983
Mailand, Enrico Castellani, Superfici 1960 - 1980, Galleria Pero, Februar - März 1984
Paris, Enrico Castellani, Tornabuoni Arte, 14. Oktober -
15. Dezember 2011, Ausst.-Kat. S. 127, mit Abb.

Literatur:
Ausst.-Kat., Florenz, Centro Tornabuoni, Maestri della Pittura Moderna. Opere Scelte 1989-1990, 1989, S. 21,
mit Abb.
Ausst.-Kat., Perugia, Centro Espositivo Rocca Paolina, Trilogia 4. Castellani - Fogliati - Albanese, 1994, S. 10, mit Abb.
S. Magri (Hrsg.), Frammenti di universi paralleli, in „Arte In“, Venedig, Oktober - November 2011, S. 65
M. Codognato (Hrsg.), Monocromia ultima chance della pittura, in "Arte", Mailand, Oktober 2011, S. 112
R. Wirz, F. Sardella (Hrsg.), Enrico Castellani. Catalogo ragionato, Opere 1955-2005, Skira, Mailand 2012, Bd. II, S. 468, Nr. 551 mit Abb.

Wie man in Enrico Castellanis Schriftensammlung (Scritti, Mailand 2021, S. 16) nachlesen kann, betrachtet er die Monochromie als „die letzte Chance der Malerei, sich von anderen Künsten zu unterscheiden“. Ein Beispiel dafür ist das große Relief mit dem Titel Superficie bianca (Weiße Oberfläche), das der Künstler in Jahr 1983 schuf.

Für Castellani ist die Farbe nicht mehr ein Bestandteil der Komposition, der als Mittel zur Abgrenzung eines Bildes verstanden wird, sondern eine materielle Komponente, die wie ein Filter wirkt, der je nach gewünschtem Lichteffekt auf dem Untergrund verteilt wird. Der Protagonist des Werks ist das Licht, das mit den Vertiefungen und Reliefs spielt, die auf der Leinwand durch die Nägel entstehen, die von der Rückseite des Werks nach unten gedrückt werden, und uns eine Dreidimensionalität verleiht, die es sonst nicht gäbe.

Wie sehr ein so scheinbar einfacher schöpferischer Akt eine viel tiefere kritische Reflexion in sich birgt, lässt sich an der Reaktion der vorangegangenen Künstlergeneration auf die ersten Werke dieser Art ablesen, wie er selbst beschreibt (Scritti 1958-2012, Mailand 2021, S. 101): „Als wir jung waren, hielten uns die Älteren für Ketzer und Bilderstürmer, und sie hatten Recht. Sie hatten Unrecht, als sie uns verteufelten, weil wir nicht die gleichen Mittel und die gleiche Sprache benutzten wie sie. Wenn es nun eine Tätigkeit gibt (ich nenne sie nicht Beruf oder Gewerbe), bei der man frei die geeignetsten Techniken erfinden darf, um seine Sprache zu vermitteln, dann ist das eben die künstlerische Tätigkeit.“

Castellani skizzierte jene Zeichen (die später für seine Sprache charakteristisch wurden) Ende der 1950er Jahre, kurz nachdem er seine eigenen künstlerischen Forschungen über „Oberflächen“ begonnen hatte: Die Leinwand ist durch eine Reihe von Intro- und Extroflexionen gekennzeichnet, die durch Nägel erzielt werden, die in den als Träger dienenden Rahmen geschlagen sind. Der Abstand, in dem die Nägel eingeschlagen werden, schafft einen Rhythmus, der sich von einem Werk zum nächsten ändert, wobei durch den Lichteinfall auf die Oberfläche immer neue Hell-Dunkel-Effekte erzielt werden. Die Monochromie und die Rhythmik (die die Abstände zwischen den Nägeln markiert) sind seine einzigen kompositorischen Elemente, die notwendig sind, um in seinen Werken zwei kontrastierende und gleichzeitig perfekt koexistierende Ergebnisse zu erzielen, die er in seinem Essay Continuità e nuovo (Kontinuität und das Neue) von 1960 als das „Konkrete der Unendlichkeit“ und die „Konjugation der Zeit“ bezeichnet.

Diese so definierte und radikale Sprache ist schon in seinen frühesten Werken deutlich erkennbar und bildet die Konstante in seinem gesamten künstlerischen Schaffen, das auch nach zwanzig Jahren, wie im Fall des hier vorgestellten Werks, sehr konsequent bleibt. Eine Kombination von Faktoren, die immer gleich zu sein scheinen, aber in Wirklichkeit immer neu und einzigartig sind – das Licht ist es, das jeder Leinwand ihre eigene Identität verleiht. Im Fall dieser Superficie bianca ist der wahrgenommene Effekt stroboskopisch, als ob eine Spiegelkugel auf eine weiche Schicht gedrückt worden wäre und beim Durchlaufen Rillen hinterlassen hätte.

Experte: Alessandro Rizzi Alessandro Rizzi
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alessandro.rizzi@dorotheum.it


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kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Zeitgenössische Kunst I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 29.11.2023 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 18.11. - 29.11.2023


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.