Lot Nr. 709


Martin Kippenberger *


(Dortmund 1953–1997 Wien)
Ohne Titel, aus der Serie der “Fred the Frog”, 1989/90, rückseitig signiert, datiert Kippenberger 90, Öl auf Leinwand, 240 x 200 cm, auf Keilrahmen

Provenienz:
Aus einer österreichischen Sammlung

Literatur:
Martin Kippenberger, Fred the frog rings the bell once a penny two a penny hot cross burns, Galerie Max Hetzler, Köln, 1991, Künstlerbuch, Seite 37 mit Abb.

„Man versucht Allem gerecht zu werden. Man will an die Menschen herankommen. Eigentlich ist man ein kleiner Priester, nicht wahr? Also irgendwie Pfarrer – Pfarrer? Pastor – ich bin ein Pastor. Und Pastor heißt, übersetzt... Hirte. Jawohl. Und irgendwie habe ich auch so etwas, oder? Ich bin der Heilige Martin.‘ (Der Künstler in „Interview with the Artist“, Martin Kippenberger: The Problem Perspective, Ausstellungskatalog, Los Angeles, 2008, S. 320)

Untitled aus der Fred the Frog-Serie, stammt aus dem Jahr 1989/1990 und ist Teil einer der wichtigsten und bemerkenswertesten Serien, die Martin Kippenberger zwischen 1988 und 1991 in Los Angeles geschaffen hat.

Wer ist Fred der Frosch?
Als Skulptur und als Gemälde ist er ein gekreuzigter Frosch. In der Skulptur-Fassung ist Fred an Holzelemente genagelt, die an einen Keilrahmen erinnern, ein traditionelles Attribut des Künstlers. In einer seiner Hände hält er einen Bierkrug, in einer anderen ein Ei. Während die Kreuzigung in manchen Gemälden deutlich dargestellt wird, ist Fred in anderen, wie auch in dem vorliegenden, nur ein weißer Streifen, verborgen in dem G Buchstaben von „Gefühle“.
Fred der Frosch ist eines der bekanntesten Alter Egos des Künstlers. In der Figur des Fred am Kreuz mit ausgestreckter Zunge und schief sitzenden Augen, der dem Urteil der Welt ausgesetzt ist, hat Kippenberger sich selbst dargestellt. Fred der Frosch ist eine Art absurde Zeichentrickfigur, die an den Froschprinzen aus den Märchen der Brüder Grimm erinnert. Das provozierende Bild des gekreuzigten, lächerlichen Frosches, der seiner Erlösung wartet, zeigt Kippenbergers problematisches Verhältnis zu seinem eigenen Künstlerstatus. Durch das Schaffen und Ausstellen seiner Werke zeigt der Künstler seine Verletzlichkeit und Angreifbarkeit, eine Geste der Tapferkeit und Selbstaufopferung.
Das vorliegende Werk ist komplex und übt seine Wirkung in der unmittelbaren Auseinandersetzung mit dem Bildbetrachter aus.
Nuancen von Rot und Blau bilden ein Raster sowie einen Hintergrund für die Worte „Witz“, „Effekt“, „Gefühle“, „Bild“ und „Anschauung“.
Diese mit verschiedenen typographischen Buchstaben geschriebenen Worte laden den Betrachter zum Hinschauen, Fühlen, Nachdenken, Lachen usw. ein. Versteckt im G von „Gefühle“ ist Fred der Frosch am Kreuz. Die untere Bildhälfte rechts zeigt ein mit Hand und Daumen kombiniertes Ei mit einem glänzenden Dotter, das Ei ist das Symbol für die Fruchtbarkeit und das Leben, die Hand ist der Ursprung der Kreativität, während der obere Teil ein reich geschichtetes, das Bild verunstaltende Weiß-Rot-Impasto aufweist. Oben rinnt gelbe Ölfarbe die Leinwand herunter, wobei sich die Farbspuren wiederum auf das Ei beziehen. Frosch, Kreuze, Eier in verschiedenen Zuständen und andere Figuren kommen in der ganzen „Fred the Frog“-Serie immer wieder vor und ergründen die Verwandlungskraft des Künstlers.
„Die Frösche, Spiegeleier, Kreuze sind eben nicht nur witzelnde und popkulturelle Zeichen oder gut geführte Privatmetaphern, sondern stehen vor allem für eine Wandlungsfähigkeit. Verwandlung, das kann Transfiguration, ein Märchentrick oder die Veränderung einer Lebenssituation sein: Im unförmigen Frosch steckt ein schöner Mann, das Ei hat seine gastronomischen, kunsthistorischen und reproduktiven Seiten und vor allem gilt ja das Kreuz als das älteste Symbol der Verwandlung von Leid in Triumph.“ […] („Nach Kippenberger“, Eva Meyer – Hermann und Susanne Neuburger [Mumok - Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Van Abbemuseum Eindhoven], Schlebrügge.Editor, 2003, Wien, Seite 128.) Das vorliegende Werk wurde ein Jahr nach Fertigstellung in Kippenbergers Ausstellung mit dem humorvollen Titel „Fred the Frog rings the bell once a penny two a penny hot cross burns“ gezeigt. Kippenberger veröffentlichte ein Buch mit Abbildungen aus der „Fred the Frog“ -Serie zusammen mit einer Anthologie lyrischer, vor allem aus der englischen Literatur des 17. Jahrhunderts stammender Klagelieder. Roberto Ohrts Aufsatz Zuerst die Füße aus dem Kippenberger Taschen-Buch (2005) gibt Auskünfte über den Hintergrund der „Fred the Frog“-Serie und die Titel der Skulpturen: „Das Buch, das die erste Ausstellung mit Fred begleitet, ist die schönste Textsammlung, die Martin je veröffentlicht hat, Gedichte, die in den letzten Sekunden am Kreuz ausgesprochen wurden, also zu einem Zeitpunkt, wo Befreiung bzw. Erlösung in vertrauter Art und Weise wieder kommt […]“ Für das vorliegende Werk hat Kippenberger ein Gedicht von John Donne gewählt, „Hexerei durch ein Gemälde“: „Doch habe ich nun die süßen-salzigen Thränen abgetrunken,/ Und ob du mehr vergießest gleich, werd ich jetzt scheiden./ Mit den geschwundnen Bildnern schwindet auch mein Bangen,/ daß mir Gefahr könnt werden von der Zauberkunst. […] („Fred the frog rings the bell once a penny two a penny hot cross burns“, Martin Kippenberger, Galerie Max Hetzler, 1991, Köln, S. 36-37)

Expertin: Mag. Patricia Pálffy Mag. Patricia Pálffy
+43-1-515 60-386

patricia.palffy@dorotheum.at

26.11.2014 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 873.000,-
Schätzwert:
EUR 280.000,- bis EUR 350.000,-

Martin Kippenberger *


(Dortmund 1953–1997 Wien)
Ohne Titel, aus der Serie der “Fred the Frog”, 1989/90, rückseitig signiert, datiert Kippenberger 90, Öl auf Leinwand, 240 x 200 cm, auf Keilrahmen

Provenienz:
Aus einer österreichischen Sammlung

Literatur:
Martin Kippenberger, Fred the frog rings the bell once a penny two a penny hot cross burns, Galerie Max Hetzler, Köln, 1991, Künstlerbuch, Seite 37 mit Abb.

„Man versucht Allem gerecht zu werden. Man will an die Menschen herankommen. Eigentlich ist man ein kleiner Priester, nicht wahr? Also irgendwie Pfarrer – Pfarrer? Pastor – ich bin ein Pastor. Und Pastor heißt, übersetzt... Hirte. Jawohl. Und irgendwie habe ich auch so etwas, oder? Ich bin der Heilige Martin.‘ (Der Künstler in „Interview with the Artist“, Martin Kippenberger: The Problem Perspective, Ausstellungskatalog, Los Angeles, 2008, S. 320)

Untitled aus der Fred the Frog-Serie, stammt aus dem Jahr 1989/1990 und ist Teil einer der wichtigsten und bemerkenswertesten Serien, die Martin Kippenberger zwischen 1988 und 1991 in Los Angeles geschaffen hat.

Wer ist Fred der Frosch?
Als Skulptur und als Gemälde ist er ein gekreuzigter Frosch. In der Skulptur-Fassung ist Fred an Holzelemente genagelt, die an einen Keilrahmen erinnern, ein traditionelles Attribut des Künstlers. In einer seiner Hände hält er einen Bierkrug, in einer anderen ein Ei. Während die Kreuzigung in manchen Gemälden deutlich dargestellt wird, ist Fred in anderen, wie auch in dem vorliegenden, nur ein weißer Streifen, verborgen in dem G Buchstaben von „Gefühle“.
Fred der Frosch ist eines der bekanntesten Alter Egos des Künstlers. In der Figur des Fred am Kreuz mit ausgestreckter Zunge und schief sitzenden Augen, der dem Urteil der Welt ausgesetzt ist, hat Kippenberger sich selbst dargestellt. Fred der Frosch ist eine Art absurde Zeichentrickfigur, die an den Froschprinzen aus den Märchen der Brüder Grimm erinnert. Das provozierende Bild des gekreuzigten, lächerlichen Frosches, der seiner Erlösung wartet, zeigt Kippenbergers problematisches Verhältnis zu seinem eigenen Künstlerstatus. Durch das Schaffen und Ausstellen seiner Werke zeigt der Künstler seine Verletzlichkeit und Angreifbarkeit, eine Geste der Tapferkeit und Selbstaufopferung.
Das vorliegende Werk ist komplex und übt seine Wirkung in der unmittelbaren Auseinandersetzung mit dem Bildbetrachter aus.
Nuancen von Rot und Blau bilden ein Raster sowie einen Hintergrund für die Worte „Witz“, „Effekt“, „Gefühle“, „Bild“ und „Anschauung“.
Diese mit verschiedenen typographischen Buchstaben geschriebenen Worte laden den Betrachter zum Hinschauen, Fühlen, Nachdenken, Lachen usw. ein. Versteckt im G von „Gefühle“ ist Fred der Frosch am Kreuz. Die untere Bildhälfte rechts zeigt ein mit Hand und Daumen kombiniertes Ei mit einem glänzenden Dotter, das Ei ist das Symbol für die Fruchtbarkeit und das Leben, die Hand ist der Ursprung der Kreativität, während der obere Teil ein reich geschichtetes, das Bild verunstaltende Weiß-Rot-Impasto aufweist. Oben rinnt gelbe Ölfarbe die Leinwand herunter, wobei sich die Farbspuren wiederum auf das Ei beziehen. Frosch, Kreuze, Eier in verschiedenen Zuständen und andere Figuren kommen in der ganzen „Fred the Frog“-Serie immer wieder vor und ergründen die Verwandlungskraft des Künstlers.
„Die Frösche, Spiegeleier, Kreuze sind eben nicht nur witzelnde und popkulturelle Zeichen oder gut geführte Privatmetaphern, sondern stehen vor allem für eine Wandlungsfähigkeit. Verwandlung, das kann Transfiguration, ein Märchentrick oder die Veränderung einer Lebenssituation sein: Im unförmigen Frosch steckt ein schöner Mann, das Ei hat seine gastronomischen, kunsthistorischen und reproduktiven Seiten und vor allem gilt ja das Kreuz als das älteste Symbol der Verwandlung von Leid in Triumph.“ […] („Nach Kippenberger“, Eva Meyer – Hermann und Susanne Neuburger [Mumok - Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Van Abbemuseum Eindhoven], Schlebrügge.Editor, 2003, Wien, Seite 128.) Das vorliegende Werk wurde ein Jahr nach Fertigstellung in Kippenbergers Ausstellung mit dem humorvollen Titel „Fred the Frog rings the bell once a penny two a penny hot cross burns“ gezeigt. Kippenberger veröffentlichte ein Buch mit Abbildungen aus der „Fred the Frog“ -Serie zusammen mit einer Anthologie lyrischer, vor allem aus der englischen Literatur des 17. Jahrhunderts stammender Klagelieder. Roberto Ohrts Aufsatz Zuerst die Füße aus dem Kippenberger Taschen-Buch (2005) gibt Auskünfte über den Hintergrund der „Fred the Frog“-Serie und die Titel der Skulpturen: „Das Buch, das die erste Ausstellung mit Fred begleitet, ist die schönste Textsammlung, die Martin je veröffentlicht hat, Gedichte, die in den letzten Sekunden am Kreuz ausgesprochen wurden, also zu einem Zeitpunkt, wo Befreiung bzw. Erlösung in vertrauter Art und Weise wieder kommt […]“ Für das vorliegende Werk hat Kippenberger ein Gedicht von John Donne gewählt, „Hexerei durch ein Gemälde“: „Doch habe ich nun die süßen-salzigen Thränen abgetrunken,/ Und ob du mehr vergießest gleich, werd ich jetzt scheiden./ Mit den geschwundnen Bildnern schwindet auch mein Bangen,/ daß mir Gefahr könnt werden von der Zauberkunst. […] („Fred the frog rings the bell once a penny two a penny hot cross burns“, Martin Kippenberger, Galerie Max Hetzler, 1991, Köln, S. 36-37)

Expertin: Mag. Patricia Pálffy Mag. Patricia Pálffy
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patricia.palffy@dorotheum.at


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Zeitgenössische Kunst, Teil 1
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 26.11.2014 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 15.11. - 26.11.2014


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.