Lot Nr. 95 -


Jan Brueghel II.


Jan Brueghel II. - Alte Meister

(Brüssel 1568–1625 Antwerpen)
Jäger in einer weiten Landschaft,
Öl auf Leinwand, 66 x 81,3 cm, gerahmt

Provenienz:
Vermutlich Sammlung Nevzorov, Russland, seit dem 19. Jahrhundert;
Yuliy Vladimirovich Nevzorov (1913–2010)

Wir danken Klaus Ertz, der die Eigenhändigkeit des vorliegenden Gemäldes bestätigt hat. Ein Gutachten liegt vor.
Außerdem danken wir Tatiana Bushmina für ihre Hilfe bei der Erforschung der Provenienz.

Dr. Ertz schreibt: „Der Betrachter schaut auf Augenhöhe mit den dargestellten vier Personen in eine flache, mit Bäumen bestandene Wiesenebene. Diese Ebene erstreckt sich in der rechten Bildhälfte in einem durchgehenden Tiefenzug vom leicht welligen bräunlichen Vordergrund über eine niedrige Buschzone im Mittelgrund bis zu einer fernen Baumlinie am Horizont. Eine vertikale, seitliche Begrenzung am rechten Bildrand fehlt, sodass sich der Raum nach rechts hin endlos im Vordergrund weiterdenken lässt. Der Hintergrund wird nach der Buschreihe rechts begleitet und in ‚Richtung gebracht‘ durch eine keilförmig in die Tiefe sich zuspitzende Baumzone. Der linke Bildteil wird in Gänze bestimmt durch einen orthogonal zwischen Bäumen sich in die Tiefe erstreckenden Bachlauf sowie durch einen die gesamte Bildhöhe einnehmenden Rahmenbaum mit herbstlich braun-gelb verfärbtem Blattwerk vor der hellblauen Himmelzone, die diese ruhige Komposition nach oben abschließt. Diese landschaftliche Szene ist Basis für eine Jagdgeschichte, die sich der Zeit um 1630 entsprechend so abgespielt haben könnte: Die Jagd der hohen Herren, hier nicht als Hauptdarsteller berücksichtigt, was als eine durchaus selten zu beobachtende Besonderheit festgehalten werden darf, ist beendet. Zwei männliche Jagdaufseher, gekennzeichnet durch ihre Attribute Lanze und Pulverhorn, treffen sich im Vordergrund der Darstellung mit zwei Frauen, die für das leibliche Wohl der Jagdgesellschaft zuständig waren. Links am Fuße der ‚Herbst-Eiche‘ sitzt auf einem Felsen einer der Aufseher in gelbem Hemd, den Hut in der linken Hand aufs Knie gestützt. Links neben ihm, an den Felsen gelehnt, seine Lanze mit metallener Spitze. Vor ihm vier der für die Jan Brueghels typischen Jagdhunde, deren lebende Vorbilder in der Hundemeute Erzherzog Albrechts zu suchen sind. Rechts daneben der zweite Jagdaufseher in grünem Jagdgewand, die Lanze unter den linken Arm geklemmt, einer Frau in rotem Rock ein Stück Wild, wahrscheinlich einen geschossenen Hasen, überreichend. Vor diesen beiden Personen drei weitere Hunde aus der Meute des Erzherzogs. Etwas nach hinten versetzt schließt eine zweite auf der Erde sitzende Marketenderin, einen großen Bierkrug im Schoß haltend, die genrehafte Szene des Themas ‚Bedienstete nach der Jagd‘ mit einem stark farbigen Akzent in ihrer Kleidung vor einem grün-braunen Gesamtton ab.“

Das malerische Werk von Jan Brueghel d. J., das zu Beginn am Werk des Vaters, Jan Brueghels d. Ä., orientiert ist, kann in zwei große Bereiche aufgeteilt werden: zum einen in das Frühwerk, das bereits vor seiner Italienreise um 1620 beginnt, dann nach der Übernahme des väterlichen Ateliers 1625 weitergeführt wird und das Mitte der 1630er-Jahre endet; zum anderen in das Spätwerk, das sich an diese Zeit anschließt. Im Frühwerk ist der Sohn noch ganz der Wahrer des väterlichen Erbes, sowohl in seinen Landschaften als auch in seinen Blumen. Nachdem er 1630 zum Dekan der Lukasgilde ernannt wird, beginnt sich langsam sein malerischer Stil zu verändern, was ansatzweise im zu begutachtenden Gemälde zu beobachten ist: der malerische Pinselstrich, locker und schlierig in den Wegen und in der Himmelzone eingesetzt, zeigt uns in diesem Bild einen Maler, der sich von dem Werk des Vaters zu entfernen beginnt. Allerdings versteht der Sohn es meisterhaft, altes Gedankengut mit eigenen stilistischen Mitteln zu verknüpfen und etwas Neues zu schaffen. Typisch für ihn sind auch hier die bunten Gewänder der dargestellten Personen, die vor dem dunklen waldigen Hintergrund besonders farbenprächtig aufleuchten, ebenso wie der strahlend blaue Himmel oben rechts mit einer von Wolken und Baumwipfeln verdeckten Sonne, die die Personen des Vordergrundes auszuleuchten scheint. Während Jan d. J. bis zu Beginn der 1630er-Jahre vorwiegend auf dem Malgrund Kupfer oder Holz arbeitet, benutzt er später zunehmend den Malgrund Leinwand. Diesem Malgrund ist im Gegensatz zu den beiden anderen in der Größe keine Beschränkung auferlegt.

Die Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts bezieht sich immer auch auf die Umwelt, die künstlerisch verarbeitet wird. Die Generation Jan Brueghels d.J., die nach der Jahrhundertwende Geborenen, ist nicht mehr unmittelbar am Entwicklungsprozess beteiligt, der zur modernen Landschaftsmalerei führte. Die wichtigsten Erfindungen sind bereits gemacht, wesentliche Erfahrungen liegen schon in archetypischen Gemälden vor. Der bis dahin zurückgelegte Weg von der phantastischen Weltlandschaft bis zur realistischen Flachlandschaft lässt sich im Werk des Vaters, Jan Brueghels d. Ä. exemplarisch ablesen. Anders als beim Vater scheint die Fähigkeit des Sohnes zu malerischer Dramatik sehr groß zu sein. Das Besondere gerade der späteren Bilder liegt weniger in den ‚Lichtlöchern‘ am Himmel – die sind uns schon aus den Gemälden von Jan d. Ä. vertraut – als vielmehr im Widerschein dieses Lichtes, das einige Landschaftsteile sozusagen zum Glühen bringt. Der Kontrast des dunklen waldigen Vorder- und Mittelgrundes, der Himmel und Erde abgrenzt, sowie die leuchtenden Farben der Gewänder der Jäger vor dunklen Erdzonen verstärken die Wirkung dieses Effektes.

Obwohl in vielen Gemälden Jan Brueghels d. J. auf Figuren spezialisierte Mitarbeiter an seinen Gemälden beteiligt waren, sind die vier Figuren eindeutig von ihm selbst gemalt. Die Hunde, die für beide Brueghels – Vater und Sohn Jan Brueghel – typisch sind, begegnen uns immer wieder auf Jagdbildern oder auf Gemälden mit dem mythologischen Thema um die Göttin Diana und ihre Nymphen. Für die Schaffenszeit in den 1630er-Jahren sprechen u. a. die Buntheit in den Gewändern – vor allem die punktuell eingesetzten Farben Blau und Rot –, der Grundton Braun-Grün in Landschaft und Baumgestaltung sowie der malerisch wirkende Pinselstrich, der in schlierigen Farbbahnen über die Wege, die Baumstämme und den Himmel streift. Der linke ‚Rahmenbaum‘ erinnert noch an frühe Gestaltungsweisen des Vaters.“

Dr. Ertz datiert das Werk in die Zeit um 1630/35 und vergleicht es in Komposition, Einzelmotiv und Farbgebung mit den folgenden Arbeiten Jans:

1. Bewaldete Landschaft mit Reitern, Maastricht, Bonnefantenmuseum, Inv. Nr. 541, Holz, 70,5 x 106,5 cm, zu datieren: 1630er-Jahre, Literatur:
Ertz 1984, Kat. 4, Ft. 2

2. Kuhherde im Wald, Brüssel, Sammlung Baron Coppée, Holz, 44,5 x 55 cm, zu datieren: 1630er-Jahre, Literatur:
Ertz 1984, Kat. 12, mit Abb.

3. Feldweg, St. Petersburg, Eremitage, Inv. Nr. 2246, Holz, 48 x 67 cm, zu datieren: 1630er-Jahre, Literatur:
Ertz 1984, Kat. 23, mit Abb.

4. Schlafende Nymphen von Satyrn belauscht, Amsterdam, Galerie Watermann 1982, Kupfer, 48,5 x 64 cm, Mitarbeiter: Jan van Boeckhorst, zu datieren: 1630er-Jahre, Literatur:
Ertz 1984, Kat. 242, mit Abb.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

17.10.2017 - 18:00

Schätzwert:
EUR 60.000,- bis EUR 80.000,-

Jan Brueghel II.


(Brüssel 1568–1625 Antwerpen)
Jäger in einer weiten Landschaft,
Öl auf Leinwand, 66 x 81,3 cm, gerahmt

Provenienz:
Vermutlich Sammlung Nevzorov, Russland, seit dem 19. Jahrhundert;
Yuliy Vladimirovich Nevzorov (1913–2010)

Wir danken Klaus Ertz, der die Eigenhändigkeit des vorliegenden Gemäldes bestätigt hat. Ein Gutachten liegt vor.
Außerdem danken wir Tatiana Bushmina für ihre Hilfe bei der Erforschung der Provenienz.

Dr. Ertz schreibt: „Der Betrachter schaut auf Augenhöhe mit den dargestellten vier Personen in eine flache, mit Bäumen bestandene Wiesenebene. Diese Ebene erstreckt sich in der rechten Bildhälfte in einem durchgehenden Tiefenzug vom leicht welligen bräunlichen Vordergrund über eine niedrige Buschzone im Mittelgrund bis zu einer fernen Baumlinie am Horizont. Eine vertikale, seitliche Begrenzung am rechten Bildrand fehlt, sodass sich der Raum nach rechts hin endlos im Vordergrund weiterdenken lässt. Der Hintergrund wird nach der Buschreihe rechts begleitet und in ‚Richtung gebracht‘ durch eine keilförmig in die Tiefe sich zuspitzende Baumzone. Der linke Bildteil wird in Gänze bestimmt durch einen orthogonal zwischen Bäumen sich in die Tiefe erstreckenden Bachlauf sowie durch einen die gesamte Bildhöhe einnehmenden Rahmenbaum mit herbstlich braun-gelb verfärbtem Blattwerk vor der hellblauen Himmelzone, die diese ruhige Komposition nach oben abschließt. Diese landschaftliche Szene ist Basis für eine Jagdgeschichte, die sich der Zeit um 1630 entsprechend so abgespielt haben könnte: Die Jagd der hohen Herren, hier nicht als Hauptdarsteller berücksichtigt, was als eine durchaus selten zu beobachtende Besonderheit festgehalten werden darf, ist beendet. Zwei männliche Jagdaufseher, gekennzeichnet durch ihre Attribute Lanze und Pulverhorn, treffen sich im Vordergrund der Darstellung mit zwei Frauen, die für das leibliche Wohl der Jagdgesellschaft zuständig waren. Links am Fuße der ‚Herbst-Eiche‘ sitzt auf einem Felsen einer der Aufseher in gelbem Hemd, den Hut in der linken Hand aufs Knie gestützt. Links neben ihm, an den Felsen gelehnt, seine Lanze mit metallener Spitze. Vor ihm vier der für die Jan Brueghels typischen Jagdhunde, deren lebende Vorbilder in der Hundemeute Erzherzog Albrechts zu suchen sind. Rechts daneben der zweite Jagdaufseher in grünem Jagdgewand, die Lanze unter den linken Arm geklemmt, einer Frau in rotem Rock ein Stück Wild, wahrscheinlich einen geschossenen Hasen, überreichend. Vor diesen beiden Personen drei weitere Hunde aus der Meute des Erzherzogs. Etwas nach hinten versetzt schließt eine zweite auf der Erde sitzende Marketenderin, einen großen Bierkrug im Schoß haltend, die genrehafte Szene des Themas ‚Bedienstete nach der Jagd‘ mit einem stark farbigen Akzent in ihrer Kleidung vor einem grün-braunen Gesamtton ab.“

Das malerische Werk von Jan Brueghel d. J., das zu Beginn am Werk des Vaters, Jan Brueghels d. Ä., orientiert ist, kann in zwei große Bereiche aufgeteilt werden: zum einen in das Frühwerk, das bereits vor seiner Italienreise um 1620 beginnt, dann nach der Übernahme des väterlichen Ateliers 1625 weitergeführt wird und das Mitte der 1630er-Jahre endet; zum anderen in das Spätwerk, das sich an diese Zeit anschließt. Im Frühwerk ist der Sohn noch ganz der Wahrer des väterlichen Erbes, sowohl in seinen Landschaften als auch in seinen Blumen. Nachdem er 1630 zum Dekan der Lukasgilde ernannt wird, beginnt sich langsam sein malerischer Stil zu verändern, was ansatzweise im zu begutachtenden Gemälde zu beobachten ist: der malerische Pinselstrich, locker und schlierig in den Wegen und in der Himmelzone eingesetzt, zeigt uns in diesem Bild einen Maler, der sich von dem Werk des Vaters zu entfernen beginnt. Allerdings versteht der Sohn es meisterhaft, altes Gedankengut mit eigenen stilistischen Mitteln zu verknüpfen und etwas Neues zu schaffen. Typisch für ihn sind auch hier die bunten Gewänder der dargestellten Personen, die vor dem dunklen waldigen Hintergrund besonders farbenprächtig aufleuchten, ebenso wie der strahlend blaue Himmel oben rechts mit einer von Wolken und Baumwipfeln verdeckten Sonne, die die Personen des Vordergrundes auszuleuchten scheint. Während Jan d. J. bis zu Beginn der 1630er-Jahre vorwiegend auf dem Malgrund Kupfer oder Holz arbeitet, benutzt er später zunehmend den Malgrund Leinwand. Diesem Malgrund ist im Gegensatz zu den beiden anderen in der Größe keine Beschränkung auferlegt.

Die Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts bezieht sich immer auch auf die Umwelt, die künstlerisch verarbeitet wird. Die Generation Jan Brueghels d.J., die nach der Jahrhundertwende Geborenen, ist nicht mehr unmittelbar am Entwicklungsprozess beteiligt, der zur modernen Landschaftsmalerei führte. Die wichtigsten Erfindungen sind bereits gemacht, wesentliche Erfahrungen liegen schon in archetypischen Gemälden vor. Der bis dahin zurückgelegte Weg von der phantastischen Weltlandschaft bis zur realistischen Flachlandschaft lässt sich im Werk des Vaters, Jan Brueghels d. Ä. exemplarisch ablesen. Anders als beim Vater scheint die Fähigkeit des Sohnes zu malerischer Dramatik sehr groß zu sein. Das Besondere gerade der späteren Bilder liegt weniger in den ‚Lichtlöchern‘ am Himmel – die sind uns schon aus den Gemälden von Jan d. Ä. vertraut – als vielmehr im Widerschein dieses Lichtes, das einige Landschaftsteile sozusagen zum Glühen bringt. Der Kontrast des dunklen waldigen Vorder- und Mittelgrundes, der Himmel und Erde abgrenzt, sowie die leuchtenden Farben der Gewänder der Jäger vor dunklen Erdzonen verstärken die Wirkung dieses Effektes.

Obwohl in vielen Gemälden Jan Brueghels d. J. auf Figuren spezialisierte Mitarbeiter an seinen Gemälden beteiligt waren, sind die vier Figuren eindeutig von ihm selbst gemalt. Die Hunde, die für beide Brueghels – Vater und Sohn Jan Brueghel – typisch sind, begegnen uns immer wieder auf Jagdbildern oder auf Gemälden mit dem mythologischen Thema um die Göttin Diana und ihre Nymphen. Für die Schaffenszeit in den 1630er-Jahren sprechen u. a. die Buntheit in den Gewändern – vor allem die punktuell eingesetzten Farben Blau und Rot –, der Grundton Braun-Grün in Landschaft und Baumgestaltung sowie der malerisch wirkende Pinselstrich, der in schlierigen Farbbahnen über die Wege, die Baumstämme und den Himmel streift. Der linke ‚Rahmenbaum‘ erinnert noch an frühe Gestaltungsweisen des Vaters.“

Dr. Ertz datiert das Werk in die Zeit um 1630/35 und vergleicht es in Komposition, Einzelmotiv und Farbgebung mit den folgenden Arbeiten Jans:

1. Bewaldete Landschaft mit Reitern, Maastricht, Bonnefantenmuseum, Inv. Nr. 541, Holz, 70,5 x 106,5 cm, zu datieren: 1630er-Jahre, Literatur:
Ertz 1984, Kat. 4, Ft. 2

2. Kuhherde im Wald, Brüssel, Sammlung Baron Coppée, Holz, 44,5 x 55 cm, zu datieren: 1630er-Jahre, Literatur:
Ertz 1984, Kat. 12, mit Abb.

3. Feldweg, St. Petersburg, Eremitage, Inv. Nr. 2246, Holz, 48 x 67 cm, zu datieren: 1630er-Jahre, Literatur:
Ertz 1984, Kat. 23, mit Abb.

4. Schlafende Nymphen von Satyrn belauscht, Amsterdam, Galerie Watermann 1982, Kupfer, 48,5 x 64 cm, Mitarbeiter: Jan van Boeckhorst, zu datieren: 1630er-Jahre, Literatur:
Ertz 1984, Kat. 242, mit Abb.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 17.10.2017 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 07.10. - 17.10.2017