Lot Nr. 209


Julije Knifer *


(Osijek 1924–2004 Paris)
MA 1, 1970, rückseitig signiert, datiert, betitelt, mit Technik- und Maßangaben, Acryl auf Leinwand, 50 x 60,2 cm, gerahmt

Wir danken Ana Knifer und Gregor Podnar für die freundliche Unterstützung bei der Katalogisierung des vorliegenden Werkes.

Provenienz:
Galerie Ingrid Dacic, Tübingen
Privatsammlung Süddeutschland - von obigem erworben - direkt vom Künstler


„Strukturell utopische Konstrukte sind Fiktionen. Sie sind frei von jeglicher Referenzialität, da ihre räumliche Perspektive nur auf eine Nicht-Lokalität oder in Bezug auf die Zeit auf etwas Nichtexistentes verweist. Diese sozialen Systeme versuchen, größtenteils konfliktfrei zu sein, da sie durch das Streben nach einem Zustand der Harmonie gekennzeichnet sind. Es ist dieses Streben nach Harmonie das oft mit ästhetisch-theoretischen, architektonischen, geometrisch-mathematischen und spirituellen Paradigmen verbunden ist, die wiederum versuchen, Defizite auszugleichen, die der Struktur der Utopie innewohnen.
Diese Utopie ist die Unbestimmtheit, die sich aus dem Widerspruch zwischen dem Zukünftigen und damit Nicht-Realen und seiner Verwirklichung oder Darstellung im Werk ergibt.“
Marion Ackermann, Maria Müller: Kandinsky, Malewitsch, Mondrian – The Infinite White Abyss, Köln 2014, S. 216

Julije Knifer gilt als einer der wichtigsten kroatischen Repräsentanten der nicht-figurativen Kunst. Er war Mitglied der von 1959 bis 1966 aktiven neo-avantgardistischen Künstlergruppe Gorgona in Zagreb, die sich von den traditionellen ästhetischen Praktiken im sozialistischen Jugoslawien absetzte und den Austausch mit den internationalen Avantgarden suchte. Im Gegensatz zu anderen Ländern hinter dem Eisernen Vorhang wurde in Jugoslawien der Sozialistische Realismus, nicht als offizieller Staatsstil durchgesetzt, so dass die Künstler weiterhin in einer Tradition der Abstraktion arbeiten konnten.

Ab etwa 1960 beschäftigte sich Knifer intensiv mit der Form des Mäanders, eine meist schwarze Linie auf weißem Grund, ein streng und akribisch komponiertes Motiv, dessen Duktus in Gewichtung und Neigung er immer wieder auf andere Weise in den Mittelpunkt schob. Unweigerlich fühlt man sich an Wassily Kandinksy erinnert, an dessen „Punkt und Linie zur Fläche“ (1926) und an Kasimir Malewitschs „Schwarzes Quadrat“ (1915), wenn Knifer das Weiß als eine „Leerstelle“ und als ein konstituierendes Moment in seine Werke einführt.

Mit dieser isolierten Reduktion und der Repitition als Ausdruck von Dauer und Kontinuität, erweiterte Knifer mit existenzialistischem Geist die formale Radikalität der Vorkriegsabstraktion und unterlief gleichzeitig die utopischen politischen Ziele, die diese oft begleiteten.

Expertin: Dr. Petra Maria Schäpers Dr. Petra Maria Schäpers

petra.schaepers@dorotheum.de

23.05.2024 - 18:00

Schätzwert:
EUR 50.000,- bis EUR 70.000,-

Julije Knifer *


(Osijek 1924–2004 Paris)
MA 1, 1970, rückseitig signiert, datiert, betitelt, mit Technik- und Maßangaben, Acryl auf Leinwand, 50 x 60,2 cm, gerahmt

Wir danken Ana Knifer und Gregor Podnar für die freundliche Unterstützung bei der Katalogisierung des vorliegenden Werkes.

Provenienz:
Galerie Ingrid Dacic, Tübingen
Privatsammlung Süddeutschland - von obigem erworben - direkt vom Künstler


„Strukturell utopische Konstrukte sind Fiktionen. Sie sind frei von jeglicher Referenzialität, da ihre räumliche Perspektive nur auf eine Nicht-Lokalität oder in Bezug auf die Zeit auf etwas Nichtexistentes verweist. Diese sozialen Systeme versuchen, größtenteils konfliktfrei zu sein, da sie durch das Streben nach einem Zustand der Harmonie gekennzeichnet sind. Es ist dieses Streben nach Harmonie das oft mit ästhetisch-theoretischen, architektonischen, geometrisch-mathematischen und spirituellen Paradigmen verbunden ist, die wiederum versuchen, Defizite auszugleichen, die der Struktur der Utopie innewohnen.
Diese Utopie ist die Unbestimmtheit, die sich aus dem Widerspruch zwischen dem Zukünftigen und damit Nicht-Realen und seiner Verwirklichung oder Darstellung im Werk ergibt.“
Marion Ackermann, Maria Müller: Kandinsky, Malewitsch, Mondrian – The Infinite White Abyss, Köln 2014, S. 216

Julije Knifer gilt als einer der wichtigsten kroatischen Repräsentanten der nicht-figurativen Kunst. Er war Mitglied der von 1959 bis 1966 aktiven neo-avantgardistischen Künstlergruppe Gorgona in Zagreb, die sich von den traditionellen ästhetischen Praktiken im sozialistischen Jugoslawien absetzte und den Austausch mit den internationalen Avantgarden suchte. Im Gegensatz zu anderen Ländern hinter dem Eisernen Vorhang wurde in Jugoslawien der Sozialistische Realismus, nicht als offizieller Staatsstil durchgesetzt, so dass die Künstler weiterhin in einer Tradition der Abstraktion arbeiten konnten.

Ab etwa 1960 beschäftigte sich Knifer intensiv mit der Form des Mäanders, eine meist schwarze Linie auf weißem Grund, ein streng und akribisch komponiertes Motiv, dessen Duktus in Gewichtung und Neigung er immer wieder auf andere Weise in den Mittelpunkt schob. Unweigerlich fühlt man sich an Wassily Kandinksy erinnert, an dessen „Punkt und Linie zur Fläche“ (1926) und an Kasimir Malewitschs „Schwarzes Quadrat“ (1915), wenn Knifer das Weiß als eine „Leerstelle“ und als ein konstituierendes Moment in seine Werke einführt.

Mit dieser isolierten Reduktion und der Repitition als Ausdruck von Dauer und Kontinuität, erweiterte Knifer mit existenzialistischem Geist die formale Radikalität der Vorkriegsabstraktion und unterlief gleichzeitig die utopischen politischen Ziele, die diese oft begleiteten.

Expertin: Dr. Petra Maria Schäpers Dr. Petra Maria Schäpers

petra.schaepers@dorotheum.de


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Zeitgenössische Kunst I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 23.05.2024 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 11.05. - 23.05.2024