(Udine 1663–1730 Venedig)
Die Piazzetta in Venedig mit dem Dogenpalast,
Öl auf Leinwand, 93 x 131 cm, gerahmt

Wir danken Professor Bernard Aikema, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes nach dessen Untersuchung im Original bestätigt hat.

Laut Prof. Aikema handelt es sich bei diesem bis dato unpublizierten Gemälde um eine ausgezeichnete Arbeit von Luca Carlevarijs. Der aus der friulanischen Hauptstadt Udine stammende Künstler ging bereits in jungen Jahren nach Venedig. Sein erstes datiertes Werk aus dem Jahr 1708 besteht in einer Serie von über 100 Druckgrafiken der Baudenkmäler Venedigs. Dieser bahnbrechende Zyklus stand am Beginn des aufkommenden Interesses für die Vedutenkunst. Carlevarijs’ gemalte Veduten standen unter dem Eindruck der niederländischen Malerei nicht nur eines Gaspare Vanvitelli (Gaspar van Wittel), der gemeinhin als Begründer der Ansichtenmalerei in Italien genannt wird, sondern auch jener holländischer Romanisten des späten 17. Jahrhunderts wie Jan Asselijn, Jan Baptist Weenix und vor allem Johannes Lingelbach. Carlevarijs gilt als erster Ansichtenmaler Venedigs des Settecento und großer Vorläufer Canalettos.

Das vorliegende Bild zeigt eine bevorzugte Ansicht Carlevarijs’: die Piazzetta vom Molo aus in Richtung Markusdom gesehen. Rechts ragt die breite Front des Dogenpalastes auf, etwas dahinter sieht man die Seitenfassade der Basilika von San Marco. Links wird der Ausblick durch die im klassischen Stil erbaute Fassade der Bibliothek Sansovinos geschlossen. In allen bekannten Versionen dieser traditionsreichen und berühmten Ansicht (San Diego, Timken Museum of Art, und Los Angeles County Museum of Art) nahm Carlevarijs einen Standpunkt etwas links von der Piazzetta gelegen ein. Für das vorliegende Bild hat er ihn sogar noch etwas weiter nach links verschoben. Tatsächlich ist der Markusdom nur teilweise sichtbar, während der Torre dell’Orologio (der Uhrturm), mit dem der Markusplatz nach hinten abschließt und der in allen anderen Fassungen im Hintergrund erscheint, hinter der hervorspringenden Ecke der Bibliothek im Vordergrund verschwindet. Insofern handelt es sich um eine neue Variante des Bildthemas.

Es ist generell schwierig, Carlevarijs’ Veduten zu datieren, doch die insgesamt helle, goldene Tonalität, die sich ungezwungen über den Platz bewegenden lebendigen Figuren und der relativ lockere Pinselstrich scheinen das Werk in die Reifezeit des Künstlers zu verweisen, also in die zweite oder sogar dritte Dekade des 18. Jahrhunderts.

Wir danken Professor Bernard Aikema für die Katalogisierung des vorliegenden Werks.