Lot Nr. 36


Guido Reni


Guido Reni - Alte Meister

(Bologna 1575-1642)
Fortuna mit dem Geldbeutel,
Öl auf Leinwand, 152 x 130 cm, gerahmt
Provenienz:
Abt Giovanni Carlo Gavotti, Bologna, um 1635;
Benadduce Benadduci, Tolentino, um 1638;
im Erbgang an Olimpia Benadduci, um 1750;
im Erbgang an Stefano Gentiloni, Tolentino, 1925;
im Erbgang an die Familie Gentiloni, Palazzo Silveri Gentiloni, Tolentino;
europäische Privatsammlung;
Auktion, Dorotheum, Wien, 15. Oktober 2013, Lot 595;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer;
Privatsammlung, Belgien

Literatur:
L. Assarino, Sensi di umiltà e stupore intorno la grandezza dell’Em.mo Card. Sacchetti, e le pitture di Guido Reni, Bologna 1639, S. 27-29 (as Guido Reni);
C. C. Malvasia, Felsina Pittrice, Bologna 1678, Aufl. Bologna 1841, I, S. 96/97, II, S. 24, 31, 320;
F. Baldinucci, Notizie de’professori del disegno da Cimabue in qua, Florenz 1681-1774, V, 1702, S. 327/328 (Aufl. Florenz 1812, X, S. 341/342);
G. Benadduci, Cenni Biografici sul Benadduce Benadduci e memorie sui dipinti da lui allogati al Guercino ed a Guido Reni, Tolentino 1886, S. 20/21;
E. Baccheschi, L´opera completa di Guido Reni, Mailand 1971, erwähnt unter Nr. 117b (als eine Kopie);
A. Busiri Vici, Contributi per “La Fortuna” di Guido Reni, in: Studi di Storia dell´arte in onore di Antonio Morassi, Rom 1971, S. 232;
R. Petrangolini Benedetti Panici, La Fortuna di Guido Reni in: Notizie da Palazzo Albani, X, 1976, Nr. 2, S. 56/57;
D. S. Pepper, Guido Reni. A complete catalogue of his works with an introductory text, Oxford 1984, S. 277, Nr. 166A.1 (als eine Kopie);
D. S. Pepper, Guido Reni, l´opera completa, Novara 1988, S. 287, Nr. 158.1 (als eine Kopie);
D. S. Pepper, D. Mahon, Guido Reni’s Fortuna with Purse Rediscovered, in: The Burlington Magazine, CXLI, 1999, S. 156-163;
R. E. Spear, Guido Reni’s Fortuna, in: The Burlington Magazine, CXLI, Nr. 1156, July 1999, S.;
C. Cropper, L. Pericolo, Felsina Pittrice: The Lives of the Bolognese Painters, Bd. IX: Life of Guido Reni, Brepols Publishers 2018 (Publikation in Vorbereitung)

Wir danken Daniele Benati, Erich Schleier und Nicholas Turner, die die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes unabhängig voneinander nach Prüfung des Werks im Original bestätigt haben.

Darüber hinaus danken wir Lorenzo Pericolo, der die Zuschreibung des Werks nach Untersuchung im Original ebenfalls bestätigt hat. Er wird das Gemälde in seine in Vorbereitung befindliche Publikation über das Leben Guido Renis aufnehmen (siehe Literatur).

Die Personifikation der Fortuna schwebt, lediglich von einem wehenden rosafarbenen Tuch bedeckt, über den Erdball, in der Linken ein Palmblatt und ein Zepter, während sie mit der Rechten Münzen und Edelsteine aus einem Geldbeutel streut. Ein fliegender Putto als Verkörperung der Gelegenheit (Griechisch: kairòs, Lateinisch: occasio) hält sie am Haar zurück. Diese Ikonografie der Fortuna ist einer mittelalterlichen Tradition entnommen, welche die Protagonistin nach dem Beispiel antiker Darstellungen mit dem Rad zeigt, welches auf die wechselnde Natur ihres Handelns anspielt, während die Anwesenheit der Gelegenheit oder des Zufalls auf die Vorstellung ihres schwankenden Einwirkens auf die Angelegenheiten des Menschen verweist.

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich um ein zur Gänze eigenhändiges Werk Guido Renis. Es ist nicht nur aufgrund der ansprechenden Komposition, die sofort großen Anklang fand, ein Werk von außergewöhnlicher Bedeutung, sondern auch aufgrund der herausragenden Qualität der Malerei und der äußerst prestigeträchtigen Sammlungsgeschichte.

Von D. S. Pepper und Denis Mahon 1999 unternommene Forschungen (siehe Literatur) haben Licht auf die Geschichte des Bildes geworfen. Es ist gelungen, die Umstände um die Auftragserteilung sowie die nachfolgenden Besitzverhältnisse zu rekonstruieren und damit eine Forschungslage zu klären, die durch Hinweise auf eine weitere Fassung des Bildes aus der Werkstatt Guido Renis erschwert wurde, auf der Fortuna mit einer Krone anstatt mit einem Geldbeutel dargestellt ist.

Laut Filippo Baldinuccis Notizie de’ professori del disegno (1702) malte Guido Reni zuerst die vorliegende Fassung, in der Fortuna mit dem Geldbeutel dargestellt ist. Sie war für den Bologneser Abt Giovanni Carlo Gavotti bestimmt, an den sie geliefert wurde, bevor Reni letzte Hand anlegen konnte - allerdings unter der Voraussetzung, dass Gavotti sie nicht öffentlich ausstellen sollte, bevor die finale Feinarbeit vorgenommen worden war. Der Abt hielt sich aber nicht an die Vereinbarung und bestellte nicht nur eine Druckgrafik nach dem Bild bei Simone Scarselli (vgl. F. Candi, D’après le Guide. Incisioni seicentesche da Guido Reni, D. Benati, Bologna 2016, S. 270, Nr. 141), sondern zeigte es auch bei einer der Gemäldeausstellungen, die die Adelsfamilien Bolognas regelmäßig in den Kolonnaden der Stadt veranstalteten, um in ihren Pfarrgemeinden die sogenannten „Decennali eucaristiche“ zu begehen. Verärgert über den Affront, machte sich Reni prompt an die Arbeit an einer zweiten Fassung. Einer üblichen Arbeitsweise folgend, verwendete Reni eine Vorlage, die er bereits von seinem Veroneser Schüler Antonio Giarola hatte vorbereiten lassen, und vollendete sie mit der Variante der Krone, die Fortuna statt des Geldbeutels in Händen hält. 1639 sichtete Luca Assarino dieses zweite Gemälde in Guido Renis Werkstatt und schrieb darüber (siehe L. Assarino, Sensi di umiltà e di stupor intorno la grandezza dell’Eminentissimo Cardinale Sacchetti, e le pitture di Guido Reni, Genua 1646). In weiterer Folge erwarb Monsignor Jacopo Altoviti diese zweite Fassung des Bildes, als er durch Bologna reiste, vermutlich, um seinen Cousin Kardinal Sacchetti, zwischen 1637 und 1640 päpstlicher Legat in der Stadt, zu besuchen. Er nahm das Bild mit nach Florenz, wo es von Filippo Baldinucci gesehen wurde, der geneigt war, jene zweite Fassung als „d’assai maggior pregio di quello del Gavotti“ [„von weit höherer Qualität als jene Gavottis“] zu beurteilen, obschon sie nur zum Teil eigenhändig war.

Das Gemälde „mit der Krone“ ist mit großer Wahrscheinlichkeit als jenes Werk zu identifizieren, dass sich heute in der Accademia di San Luca in Rom befindet (siehe L. Cibrario, F. Jatta, Allegoria della Fortuna di Guido Reni, in: P. Baldi, L. Cibrario, F. Jatta, Aperto per restauro. Il restauro di Venere e Amore del Guercino e dell’allegoria della Fortuna di Guido Reni, Rom 2015, S. 55-71). Weitere Hinweise zur ersten Fassung „mit Geldbeutel“ erhalten wir aus der Schrift Felsina Pittrice Carlo Cesare Malvasias (1678), dem zufolge sie, obwohl unvollendet („non finito ancora“), von Abt Gavotti verkauft wurde, der dafür das Doppelte von dem bekam, was er Reni ursprünglich bezahlt hatte: 600 Scudi („cioè seicento scudi“). Bei der im 19. Jahrhundert immer noch im Palazzo Gavotti in Genua verzeichneten Fassung handelte es sich demnach mit großer Wahrscheinlichkeit um eine Kopie, die Gavotti wohl um die Zeit des erfolgreichen Verkaufs beauftragt hatte (siehe F. Alizeri, Guida artistica per la città di Genova, Genua 1846, II, S. 641). Für die große Beliebtheit der Komposition sprechen nicht nur der bereits erwähnte Stich Scarsellis und ein stark veränderter Holzschnitt Bartolomeo Coriolanos, sondern auch zahlreiche Werkstattrepliken. Beispielsweise gelangte 1924 eine Fassung, die sich einst in der Sammlung Sacchetti in Rom befunden hatte, in die Sammlungen des Vatikans; im Sacchetti-Inventarverzeichnis heißt es, dass sie von Elisabetta Siriani (1638-1665) stamme; später wurde sie Giovanni Francesco Gessi oder Renis Werkstatt zugewiesen. Vor dem Auftauchen des vorliegenden Gemäldes galt das Bild des Vatikans als eigenhändig und wurde als jenes Werk identifiziert, das Reni für Gavotti ausgeführt hatte (siehe D. S. Pepper, Guido Reni. L’opera completa, Turin 1988, Nr. 158, Abb. 148).

Das vorliegende Gemälde kommt aus der bedeutenden Sammlung Benadduci in Tolentino, die reich an Werken von Bologneser Künstlern war (insbesondere von Reni und Guercino). Diese wurden größtenteils von Graf Benadduce Benadduci (gest. 1643) erworben, der ab 1638 in Bologna den Posten eines „Uditore di Torrone“ bekleidete. Wie Pepper und Mahon bemerkt haben, ist es sehr wahrscheinlich, dass Benadduci damals selbst das Gemälde von Abt Gavotti erwarb. Der abgelegene Standort der Sammlung Benadduci in der Provinz war der Grund, dass das herrliche Bild nur Forschern vor Ort bekannt war (Benadduci 1886) und von Reni-Experten nie ernsthaft wahrgenommen wurde (siehe C. Garboli, E. Baccheschi, L’opera complete di Guido Reni, Mailand 1971, Nr. 117b [als Werkstatt]; A Busiri Vici, Contributi per „La Fortuna“ di Guido Reni, in: Studi di Storia dell’arte in onore di Antonio Morassi, Rom 1971, S. 232; D. S. Pepper, Guido Reni, op. cit., S. 287, Nr. 1; bemerkenswert ist, dass vor dem endgültig klärenden Artikel Peppers und Mahons 1999 R. Petrangolini Benedetti Panici (1976) am Status des Gemäldes als eigenhändiges Werk Renis festgehalten hat).

Zudem ist bekannt, dass Stefano Gentiloni, ein Nachkomme der Familie Benadduci, das vorliegende Gemälde 1925 der Pinacoteca Vaticana zum Kauf anbot. Man zeigte jedoch kein Interesse, hatte man doch gerade die Sacchetti-Fassung als eigenhändiges Werk erworben.

1886 wurde das vorliegende Gemälde übermalt. Erst nach der von Pepper und Mahon angeregten Restaurierung trat die außergewöhnliche Frische und Lebendigkeit der ursprünglichen Farbschichten wieder zutage, wobei auch der unfertige Charakter („non finito“), von dem in der Literatur die Rede ist, sichtbar geworden ist. Abgesehen von den letzten Handgriffen, die den hellblauen Himmel betreffen, zeigen sich einige deutliche Pentimenti, zum Beispiel in dem die Nacktheit der Frauengestalt bedeckenden rosa Tuch, die Beinhaltung betreffend sowie im Bereich der Wolken. Gegenüber dem Gemälde des Vatikans verrät das vorliegende Bild eine viel größere Freiheit in der Ausführung. Dies steht ganz im Einklang mit dem Malstil Guido Renis um 1636/1637 bzw. zum dokumentierten Zeitpunkt der Ausführung des vorliegenden Werks, insbesondere hinsichtlich der Wiedergabe des weichen Inkarnats.

Nachdem das Bild über Jahrhunderte in Vergessenheit geraten war, ist es nun gelungen, ein wunderbares Meisterwerk ans Licht zu holen, das noch dazu zu den meistgepriesenen Gemälden aus Guido Renis letzten Jahren zählt. Abgesehen von seiner außergewöhnlichen Qualität und seinem ausgezeichneten Erhaltungszustand ist das Bild von besonderem kunsthistorischem Wert.

Wir danken Daniele Benati für seine Hilfe bei der Katalogisierung dieses Bildes.

Provenienz:
Abt Giovanni Carlo Gavotti, Bologna, um 1635;
Benadduce Benadduci, Tolentino, um 1638;
im Erbgang an Olimpia Benadduci, um 1750;
im Erbgang an Stefano Gentiloni, Tolentino, 1925;
im Erbgang an die Familie Gentiloni, Palazzo Silveri Gentiloni, Tolentino;
europäische Privatsammlung;
Auktion, Dorotheum, Wien, 15. Oktober 2013, Lot 595;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer;
Privatsammlung, Belgien

Literatur:
C. C. Malvasia, Felsina Pittrice, Bologna 1678, Aufl. Bologna 1841, I, S. 96/97, II, S. 24, 31, 320;
F. Baldinucci, Notizie de’professori del disegno da Cimabue in qua, Florenz 1681-1774, V, 1702, S. 327/328 (Aufl. Florenz 1812, X, S. 341/342);
G. Benadduci, Cenni Biografici sul Benadduce Benadduci e memorie sui dipinti da lui allogati al Guercino ed a Guido Reni, Tolentino 1886, S. 20/21;
R. Petrangolini Benedetti Panici, La Fortuna di Guido Reni in: Notizie da Palazzo Albani, X, 1976, Nr. 2, S. 56/57;
D. S. Pepper, D. Mahon, Guido Reni’s Fortuna with Purse Rediscovered, in: The Burlington Magazine, CXLI, 1999, S. 156-163;
C. Cropper, L. Pericolo, Felsina Pittrice: The Lives of the Bolognese Painters, Bd. IX: Life of Guido Reni, Brepols Publishers 2018 (Publikation in Vorbereitung)

Wir danken Daniele Benati, Erich Schleier und Nicholas Turner, die die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes unabhängig voneinander nach Prüfung des Werks im Original bestätigt haben.

Darüber hinaus danken wir Lorenzo Pericolo, der die Zuschreibung des Werks nach Untersuchung im Original ebenfalls bestätigt hat. Er wird das Gemälde in seine in Vorbereitung befindliche Publikation über das Leben Guido Renis aufnehmen (siehe Literatur).

Die Personifikation der Fortuna schwebt, lediglich von einem wehenden rosafarbenen Tuch bedeckt, über den Erdball, in der Linken ein Palmblatt und ein Zepter, während sie mit der Rechten Münzen und Edelsteine aus einem Geldbeutel streut. Ein fliegender Putto als Verkörperung der Gelegenheit (Griechisch: kairòs, Lateinisch: occasio) hält sie am Haar zurück. Diese Ikonografie der Fortuna ist einer mittelalterlichen Tradition entnommen, welche die Protagonistin nach dem Beispiel antiker Darstellungen mit dem Rad zeigt, welches auf die wechselnde Natur ihres Handelns anspielt, während die Anwesenheit der Gelegenheit oder des Zufalls auf die Vorstellung ihres schwankenden Einwirkens auf die Angelegenheiten des Menschen verweist.

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich um ein zur Gänze eigenhändiges Werk Guido Renis. Es ist nicht nur aufgrund der ansprechenden Komposition, die sofort großen Anklang fand, ein Werk von außergewöhnlicher Bedeutung, sondern auch aufgrund der herausragenden Qualität der Malerei und der äußerst prestigeträchtigen Sammlungsgeschichte.

Von D. S. Pepper und Denis Mahon 1999 unternommene Forschungen (siehe Literatur) haben Licht auf die Geschichte des Bildes geworfen. Es ist gelungen, die Umstände um die Auftragserteilung sowie die nachfolgenden Besitzverhältnisse zu rekonstruieren und damit eine Forschungslage zu klären, die durch Hinweise auf eine weitere Fassung des Bildes aus der Werkstatt Guido Renis erschwert wurde, auf der Fortuna mit einer Krone anstatt mit einem Geldbeutel dargestellt ist.

Laut Filippo Baldinuccis Notizie de’ professori del disegno (1702) malte Guido Reni zuerst die vorliegende Fassung, in der Fortuna mit dem Geldbeutel dargestellt ist. Sie war für den Bologneser Abt Giovanni Carlo Gavotti bestimmt, an den sie geliefert wurde, bevor Reni letzte Hand anlegen konnte - allerdings unter der Voraussetzung, dass Gavotti sie nicht öffentlich ausstellen sollte, bevor die finale Feinarbeit vorgenommen worden war. Der Abt hielt sich aber nicht an die Vereinbarung und bestellte nicht nur eine Druckgrafik nach dem Bild bei Simone Scarselli (vgl. F. Candi, D’après le Guide. Incisioni seicentesche da Guido Reni, D. Benati, Bologna 2016, S. 270, Nr. 141), sondern zeigte es auch bei einer der Gemäldeausstellungen, die die Adelsfamilien Bolognas regelmäßig in den Kolonnaden der Stadt veranstalteten, um in ihren Pfarrgemeinden die sogenannten „Decennali eucaristiche“ zu begehen. Verärgert über den Affront, machte sich Reni prompt an die Arbeit an einer zweiten Fassung. Einer üblichen Arbeitsweise folgend, verwendete Reni eine Vorlage, die er bereits von seinem Veroneser Schüler Antonio Giarola hatte vorbereiten lassen, und vollendete sie mit der Variante der Krone, die Fortuna statt des Geldbeutels in Händen hält. 1639 sichtete Luca Assarino dieses zweite Gemälde in Guido Renis Werkstatt und schrieb darüber (siehe L. Assarino, Sensi di umiltà e di stupor intorno la grandezza dell’Eminentissimo Cardinale Sacchetti, e le pitture di Guido Reni, Genua 1646). In weiterer Folge erwarb Monsignor Jacopo Altoviti diese zweite Fassung des Bildes, als er durch Bologna reiste, vermutlich, um seinen Cousin Kardinal Sacchetti, zwischen 1637 und 1640 päpstlicher Legat in der Stadt, zu besuchen. Er nahm das Bild mit nach Florenz, wo es von Filippo Baldinucci gesehen wurde, der geneigt war, jene zweite Fassung als „d’assai maggior pregio di quello del Gavotti“ [„von weit höherer Qualität als jene Gavottis“] zu beurteilen, obschon sie nur zum Teil eigenhändig war.

Das Gemälde „mit der Krone“ ist mit großer Wahrscheinlichkeit als jenes Werk zu identifizieren, dass sich heute in der Accademia di San Luca in Rom befindet (siehe L. Cibrario, F. Jatta, Allegoria della Fortuna di Guido Reni, in: P. Baldi, L. Cibrario, F. Jatta, Aperto per restauro. Il restauro di Venere e Amore del Guercino e dell’allegoria della Fortuna di Guido Reni, Rom 2015, S. 55-71). Weitere Hinweise zur ersten Fassung „mit Geldbeutel“ erhalten wir aus der Schrift Felsina Pittrice Carlo Cesare Malvasias (1678), dem zufolge sie, obwohl unvollendet („non finito ancora“), von Abt Gavotti verkauft wurde, der dafür das Doppelte von dem bekam, was er Reni ursprünglich bezahlt hatte: 600 Scudi („cioè seicento scudi“). Bei der im 19. Jahrhundert immer noch im Palazzo Gavotti in Genua verzeichneten Fassung handelte es sich demnach mit großer Wahrscheinlichkeit um eine Kopie, die Gavotti wohl um die Zeit des erfolgreichen Verkaufs beauftragt hatte (siehe F. Alizeri, Guida artistica per la città di Genova, Genua 1846, II, S. 641). Für die große Beliebtheit der Komposition sprechen nicht nur der bereits erwähnte Stich Scarsellis und ein stark veränderter Holzschnitt Bartolomeo Coriolanos, sondern auch zahlreiche Werkstattrepliken. Beispielsweise gelangte 1924 eine Fassung, die sich einst in der Sammlung Sacchetti in Rom befunden hatte, in die Sammlungen des Vatikans; im Sacchetti-Inventarverzeichnis heißt es, dass sie von Elisabetta Siriani (1638-1665) stamme; später wurde sie Giovanni Francesco Gessi oder Renis Werkstatt zugewiesen. Vor dem Auftauchen des vorliegenden Gemäldes galt das Bild des Vatikans als eigenhändig und wurde als jenes Werk identifiziert, das Reni für Gavotti ausgeführt hatte (siehe D. S. Pepper, Guido Reni. L’opera completa, Turin 1988, Nr. 158, Abb. 148).

Das vorliegende Gemälde kommt aus der bedeutenden Sammlung Benadduci in Tolentino, die reich an Werken von Bologneser Künstlern war (insbesondere von Reni und Guercino). Diese wurden größtenteils von Graf Benadduce Benadduci (gest. 1643) erworben, der ab 1638 in Bologna den Posten eines „Uditore di Torrone“ bekleidete. Wie Pepper und Mahon bemerkt haben, ist es sehr wahrscheinlich, dass Benadduci damals selbst das Gemälde von Abt Gavotti erwarb. Der abgelegene Standort der Sammlung Benadduci in der Provinz war der Grund, dass das herrliche Bild nur Forschern vor Ort bekannt war (Benadduci 1886) und von Reni-Experten nie ernsthaft wahrgenommen wurde (siehe C. Garboli, E. Baccheschi, L’opera complete di Guido Reni, Mailand 1971, Nr. 117b [als Werkstatt]; A Busiri Vici, Contributi per „La Fortuna“ di Guido Reni, in: Studi di Storia dell’arte in onore di Antonio Morassi, Rom 1971, S. 232; D. S. Pepper, Guido Reni, op. cit., S. 287, Nr. 1; bemerkenswert ist, dass vor dem endgültig klärenden Artikel Peppers und Mahons 1999 R. Petrangolini Benedetti Panici (1976) am Status des Gemäldes als eigenhändiges Werk Renis festgehalten hat).

Zudem ist bekannt, dass Stefano Gentiloni, ein Nachkomme der Familie Benadduci, das vorliegende Gemälde 1925 der Pinacoteca Vaticana zum Kauf anbot. Man zeigte jedoch kein Interesse, hatte man doch gerade die Sacchetti-Fassung als eigenhändiges Werk erworben.

1886 wurde das vorliegende Gemälde übermalt. Erst nach der von Pepper und Mahon angeregten Restaurierung trat die außergewöhnliche Frische und Lebendigkeit der ursprünglichen Farbschichten wieder zutage, wobei auch der unfertige Charakter („non finito“), von dem in der Literatur die Rede ist, sichtbar geworden ist. Abgesehen von den letzten Handgriffen, die den hellblauen Himmel betreffen, zeigen sich einige deutliche Pentimenti, zum Beispiel in dem die Nacktheit der Frauengestalt bedeckenden rosa Tuch, die Beinhaltung betreffend sowie im Bereich der Wolken. Gegenüber dem Gemälde des Vatikans verrät das vorliegende Bild eine viel größere Freiheit in der Ausführung. Dies steht ganz im Einklang mit dem Malstil Guido Renis um 1636/1637 bzw. zum dokumentierten Zeitpunkt der Ausführung des vorliegenden Werks, insbesondere hinsichtlich der Wiedergabe des weichen Inkarnats.

Nachdem das Bild über Jahrhunderte in Vergessenheit geraten war, ist es nun gelungen, ein wunderbares Meisterwerk ans Licht zu holen, das noch dazu zu den meistgepriesenen Gemälden aus Guido Renis letzten Jahren zählt. Abgesehen von seiner außergewöhnlichen Qualität und seinem ausgezeichneten Erhaltungszustand ist das Bild von besonderem kunsthistorischem Wert.

Wir danken Daniele Benati für seine Hilfe bei der Katalogisierung dieses Bildes.

23.10.2018 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 369.000,-
Schätzwert:
EUR 300.000,- bis EUR 500.000,-

Guido Reni


(Bologna 1575-1642)
Fortuna mit dem Geldbeutel,
Öl auf Leinwand, 152 x 130 cm, gerahmt
Provenienz:
Abt Giovanni Carlo Gavotti, Bologna, um 1635;
Benadduce Benadduci, Tolentino, um 1638;
im Erbgang an Olimpia Benadduci, um 1750;
im Erbgang an Stefano Gentiloni, Tolentino, 1925;
im Erbgang an die Familie Gentiloni, Palazzo Silveri Gentiloni, Tolentino;
europäische Privatsammlung;
Auktion, Dorotheum, Wien, 15. Oktober 2013, Lot 595;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer;
Privatsammlung, Belgien

Literatur:
L. Assarino, Sensi di umiltà e stupore intorno la grandezza dell’Em.mo Card. Sacchetti, e le pitture di Guido Reni, Bologna 1639, S. 27-29 (as Guido Reni);
C. C. Malvasia, Felsina Pittrice, Bologna 1678, Aufl. Bologna 1841, I, S. 96/97, II, S. 24, 31, 320;
F. Baldinucci, Notizie de’professori del disegno da Cimabue in qua, Florenz 1681-1774, V, 1702, S. 327/328 (Aufl. Florenz 1812, X, S. 341/342);
G. Benadduci, Cenni Biografici sul Benadduce Benadduci e memorie sui dipinti da lui allogati al Guercino ed a Guido Reni, Tolentino 1886, S. 20/21;
E. Baccheschi, L´opera completa di Guido Reni, Mailand 1971, erwähnt unter Nr. 117b (als eine Kopie);
A. Busiri Vici, Contributi per “La Fortuna” di Guido Reni, in: Studi di Storia dell´arte in onore di Antonio Morassi, Rom 1971, S. 232;
R. Petrangolini Benedetti Panici, La Fortuna di Guido Reni in: Notizie da Palazzo Albani, X, 1976, Nr. 2, S. 56/57;
D. S. Pepper, Guido Reni. A complete catalogue of his works with an introductory text, Oxford 1984, S. 277, Nr. 166A.1 (als eine Kopie);
D. S. Pepper, Guido Reni, l´opera completa, Novara 1988, S. 287, Nr. 158.1 (als eine Kopie);
D. S. Pepper, D. Mahon, Guido Reni’s Fortuna with Purse Rediscovered, in: The Burlington Magazine, CXLI, 1999, S. 156-163;
R. E. Spear, Guido Reni’s Fortuna, in: The Burlington Magazine, CXLI, Nr. 1156, July 1999, S.;
C. Cropper, L. Pericolo, Felsina Pittrice: The Lives of the Bolognese Painters, Bd. IX: Life of Guido Reni, Brepols Publishers 2018 (Publikation in Vorbereitung)

Wir danken Daniele Benati, Erich Schleier und Nicholas Turner, die die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes unabhängig voneinander nach Prüfung des Werks im Original bestätigt haben.

Darüber hinaus danken wir Lorenzo Pericolo, der die Zuschreibung des Werks nach Untersuchung im Original ebenfalls bestätigt hat. Er wird das Gemälde in seine in Vorbereitung befindliche Publikation über das Leben Guido Renis aufnehmen (siehe Literatur).

Die Personifikation der Fortuna schwebt, lediglich von einem wehenden rosafarbenen Tuch bedeckt, über den Erdball, in der Linken ein Palmblatt und ein Zepter, während sie mit der Rechten Münzen und Edelsteine aus einem Geldbeutel streut. Ein fliegender Putto als Verkörperung der Gelegenheit (Griechisch: kairòs, Lateinisch: occasio) hält sie am Haar zurück. Diese Ikonografie der Fortuna ist einer mittelalterlichen Tradition entnommen, welche die Protagonistin nach dem Beispiel antiker Darstellungen mit dem Rad zeigt, welches auf die wechselnde Natur ihres Handelns anspielt, während die Anwesenheit der Gelegenheit oder des Zufalls auf die Vorstellung ihres schwankenden Einwirkens auf die Angelegenheiten des Menschen verweist.

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich um ein zur Gänze eigenhändiges Werk Guido Renis. Es ist nicht nur aufgrund der ansprechenden Komposition, die sofort großen Anklang fand, ein Werk von außergewöhnlicher Bedeutung, sondern auch aufgrund der herausragenden Qualität der Malerei und der äußerst prestigeträchtigen Sammlungsgeschichte.

Von D. S. Pepper und Denis Mahon 1999 unternommene Forschungen (siehe Literatur) haben Licht auf die Geschichte des Bildes geworfen. Es ist gelungen, die Umstände um die Auftragserteilung sowie die nachfolgenden Besitzverhältnisse zu rekonstruieren und damit eine Forschungslage zu klären, die durch Hinweise auf eine weitere Fassung des Bildes aus der Werkstatt Guido Renis erschwert wurde, auf der Fortuna mit einer Krone anstatt mit einem Geldbeutel dargestellt ist.

Laut Filippo Baldinuccis Notizie de’ professori del disegno (1702) malte Guido Reni zuerst die vorliegende Fassung, in der Fortuna mit dem Geldbeutel dargestellt ist. Sie war für den Bologneser Abt Giovanni Carlo Gavotti bestimmt, an den sie geliefert wurde, bevor Reni letzte Hand anlegen konnte - allerdings unter der Voraussetzung, dass Gavotti sie nicht öffentlich ausstellen sollte, bevor die finale Feinarbeit vorgenommen worden war. Der Abt hielt sich aber nicht an die Vereinbarung und bestellte nicht nur eine Druckgrafik nach dem Bild bei Simone Scarselli (vgl. F. Candi, D’après le Guide. Incisioni seicentesche da Guido Reni, D. Benati, Bologna 2016, S. 270, Nr. 141), sondern zeigte es auch bei einer der Gemäldeausstellungen, die die Adelsfamilien Bolognas regelmäßig in den Kolonnaden der Stadt veranstalteten, um in ihren Pfarrgemeinden die sogenannten „Decennali eucaristiche“ zu begehen. Verärgert über den Affront, machte sich Reni prompt an die Arbeit an einer zweiten Fassung. Einer üblichen Arbeitsweise folgend, verwendete Reni eine Vorlage, die er bereits von seinem Veroneser Schüler Antonio Giarola hatte vorbereiten lassen, und vollendete sie mit der Variante der Krone, die Fortuna statt des Geldbeutels in Händen hält. 1639 sichtete Luca Assarino dieses zweite Gemälde in Guido Renis Werkstatt und schrieb darüber (siehe L. Assarino, Sensi di umiltà e di stupor intorno la grandezza dell’Eminentissimo Cardinale Sacchetti, e le pitture di Guido Reni, Genua 1646). In weiterer Folge erwarb Monsignor Jacopo Altoviti diese zweite Fassung des Bildes, als er durch Bologna reiste, vermutlich, um seinen Cousin Kardinal Sacchetti, zwischen 1637 und 1640 päpstlicher Legat in der Stadt, zu besuchen. Er nahm das Bild mit nach Florenz, wo es von Filippo Baldinucci gesehen wurde, der geneigt war, jene zweite Fassung als „d’assai maggior pregio di quello del Gavotti“ [„von weit höherer Qualität als jene Gavottis“] zu beurteilen, obschon sie nur zum Teil eigenhändig war.

Das Gemälde „mit der Krone“ ist mit großer Wahrscheinlichkeit als jenes Werk zu identifizieren, dass sich heute in der Accademia di San Luca in Rom befindet (siehe L. Cibrario, F. Jatta, Allegoria della Fortuna di Guido Reni, in: P. Baldi, L. Cibrario, F. Jatta, Aperto per restauro. Il restauro di Venere e Amore del Guercino e dell’allegoria della Fortuna di Guido Reni, Rom 2015, S. 55-71). Weitere Hinweise zur ersten Fassung „mit Geldbeutel“ erhalten wir aus der Schrift Felsina Pittrice Carlo Cesare Malvasias (1678), dem zufolge sie, obwohl unvollendet („non finito ancora“), von Abt Gavotti verkauft wurde, der dafür das Doppelte von dem bekam, was er Reni ursprünglich bezahlt hatte: 600 Scudi („cioè seicento scudi“). Bei der im 19. Jahrhundert immer noch im Palazzo Gavotti in Genua verzeichneten Fassung handelte es sich demnach mit großer Wahrscheinlichkeit um eine Kopie, die Gavotti wohl um die Zeit des erfolgreichen Verkaufs beauftragt hatte (siehe F. Alizeri, Guida artistica per la città di Genova, Genua 1846, II, S. 641). Für die große Beliebtheit der Komposition sprechen nicht nur der bereits erwähnte Stich Scarsellis und ein stark veränderter Holzschnitt Bartolomeo Coriolanos, sondern auch zahlreiche Werkstattrepliken. Beispielsweise gelangte 1924 eine Fassung, die sich einst in der Sammlung Sacchetti in Rom befunden hatte, in die Sammlungen des Vatikans; im Sacchetti-Inventarverzeichnis heißt es, dass sie von Elisabetta Siriani (1638-1665) stamme; später wurde sie Giovanni Francesco Gessi oder Renis Werkstatt zugewiesen. Vor dem Auftauchen des vorliegenden Gemäldes galt das Bild des Vatikans als eigenhändig und wurde als jenes Werk identifiziert, das Reni für Gavotti ausgeführt hatte (siehe D. S. Pepper, Guido Reni. L’opera completa, Turin 1988, Nr. 158, Abb. 148).

Das vorliegende Gemälde kommt aus der bedeutenden Sammlung Benadduci in Tolentino, die reich an Werken von Bologneser Künstlern war (insbesondere von Reni und Guercino). Diese wurden größtenteils von Graf Benadduce Benadduci (gest. 1643) erworben, der ab 1638 in Bologna den Posten eines „Uditore di Torrone“ bekleidete. Wie Pepper und Mahon bemerkt haben, ist es sehr wahrscheinlich, dass Benadduci damals selbst das Gemälde von Abt Gavotti erwarb. Der abgelegene Standort der Sammlung Benadduci in der Provinz war der Grund, dass das herrliche Bild nur Forschern vor Ort bekannt war (Benadduci 1886) und von Reni-Experten nie ernsthaft wahrgenommen wurde (siehe C. Garboli, E. Baccheschi, L’opera complete di Guido Reni, Mailand 1971, Nr. 117b [als Werkstatt]; A Busiri Vici, Contributi per „La Fortuna“ di Guido Reni, in: Studi di Storia dell’arte in onore di Antonio Morassi, Rom 1971, S. 232; D. S. Pepper, Guido Reni, op. cit., S. 287, Nr. 1; bemerkenswert ist, dass vor dem endgültig klärenden Artikel Peppers und Mahons 1999 R. Petrangolini Benedetti Panici (1976) am Status des Gemäldes als eigenhändiges Werk Renis festgehalten hat).

Zudem ist bekannt, dass Stefano Gentiloni, ein Nachkomme der Familie Benadduci, das vorliegende Gemälde 1925 der Pinacoteca Vaticana zum Kauf anbot. Man zeigte jedoch kein Interesse, hatte man doch gerade die Sacchetti-Fassung als eigenhändiges Werk erworben.

1886 wurde das vorliegende Gemälde übermalt. Erst nach der von Pepper und Mahon angeregten Restaurierung trat die außergewöhnliche Frische und Lebendigkeit der ursprünglichen Farbschichten wieder zutage, wobei auch der unfertige Charakter („non finito“), von dem in der Literatur die Rede ist, sichtbar geworden ist. Abgesehen von den letzten Handgriffen, die den hellblauen Himmel betreffen, zeigen sich einige deutliche Pentimenti, zum Beispiel in dem die Nacktheit der Frauengestalt bedeckenden rosa Tuch, die Beinhaltung betreffend sowie im Bereich der Wolken. Gegenüber dem Gemälde des Vatikans verrät das vorliegende Bild eine viel größere Freiheit in der Ausführung. Dies steht ganz im Einklang mit dem Malstil Guido Renis um 1636/1637 bzw. zum dokumentierten Zeitpunkt der Ausführung des vorliegenden Werks, insbesondere hinsichtlich der Wiedergabe des weichen Inkarnats.

Nachdem das Bild über Jahrhunderte in Vergessenheit geraten war, ist es nun gelungen, ein wunderbares Meisterwerk ans Licht zu holen, das noch dazu zu den meistgepriesenen Gemälden aus Guido Renis letzten Jahren zählt. Abgesehen von seiner außergewöhnlichen Qualität und seinem ausgezeichneten Erhaltungszustand ist das Bild von besonderem kunsthistorischem Wert.

Wir danken Daniele Benati für seine Hilfe bei der Katalogisierung dieses Bildes.

Provenienz:
Abt Giovanni Carlo Gavotti, Bologna, um 1635;
Benadduce Benadduci, Tolentino, um 1638;
im Erbgang an Olimpia Benadduci, um 1750;
im Erbgang an Stefano Gentiloni, Tolentino, 1925;
im Erbgang an die Familie Gentiloni, Palazzo Silveri Gentiloni, Tolentino;
europäische Privatsammlung;
Auktion, Dorotheum, Wien, 15. Oktober 2013, Lot 595;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer;
Privatsammlung, Belgien

Literatur:
C. C. Malvasia, Felsina Pittrice, Bologna 1678, Aufl. Bologna 1841, I, S. 96/97, II, S. 24, 31, 320;
F. Baldinucci, Notizie de’professori del disegno da Cimabue in qua, Florenz 1681-1774, V, 1702, S. 327/328 (Aufl. Florenz 1812, X, S. 341/342);
G. Benadduci, Cenni Biografici sul Benadduce Benadduci e memorie sui dipinti da lui allogati al Guercino ed a Guido Reni, Tolentino 1886, S. 20/21;
R. Petrangolini Benedetti Panici, La Fortuna di Guido Reni in: Notizie da Palazzo Albani, X, 1976, Nr. 2, S. 56/57;
D. S. Pepper, D. Mahon, Guido Reni’s Fortuna with Purse Rediscovered, in: The Burlington Magazine, CXLI, 1999, S. 156-163;
C. Cropper, L. Pericolo, Felsina Pittrice: The Lives of the Bolognese Painters, Bd. IX: Life of Guido Reni, Brepols Publishers 2018 (Publikation in Vorbereitung)

Wir danken Daniele Benati, Erich Schleier und Nicholas Turner, die die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes unabhängig voneinander nach Prüfung des Werks im Original bestätigt haben.

Darüber hinaus danken wir Lorenzo Pericolo, der die Zuschreibung des Werks nach Untersuchung im Original ebenfalls bestätigt hat. Er wird das Gemälde in seine in Vorbereitung befindliche Publikation über das Leben Guido Renis aufnehmen (siehe Literatur).

Die Personifikation der Fortuna schwebt, lediglich von einem wehenden rosafarbenen Tuch bedeckt, über den Erdball, in der Linken ein Palmblatt und ein Zepter, während sie mit der Rechten Münzen und Edelsteine aus einem Geldbeutel streut. Ein fliegender Putto als Verkörperung der Gelegenheit (Griechisch: kairòs, Lateinisch: occasio) hält sie am Haar zurück. Diese Ikonografie der Fortuna ist einer mittelalterlichen Tradition entnommen, welche die Protagonistin nach dem Beispiel antiker Darstellungen mit dem Rad zeigt, welches auf die wechselnde Natur ihres Handelns anspielt, während die Anwesenheit der Gelegenheit oder des Zufalls auf die Vorstellung ihres schwankenden Einwirkens auf die Angelegenheiten des Menschen verweist.

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich um ein zur Gänze eigenhändiges Werk Guido Renis. Es ist nicht nur aufgrund der ansprechenden Komposition, die sofort großen Anklang fand, ein Werk von außergewöhnlicher Bedeutung, sondern auch aufgrund der herausragenden Qualität der Malerei und der äußerst prestigeträchtigen Sammlungsgeschichte.

Von D. S. Pepper und Denis Mahon 1999 unternommene Forschungen (siehe Literatur) haben Licht auf die Geschichte des Bildes geworfen. Es ist gelungen, die Umstände um die Auftragserteilung sowie die nachfolgenden Besitzverhältnisse zu rekonstruieren und damit eine Forschungslage zu klären, die durch Hinweise auf eine weitere Fassung des Bildes aus der Werkstatt Guido Renis erschwert wurde, auf der Fortuna mit einer Krone anstatt mit einem Geldbeutel dargestellt ist.

Laut Filippo Baldinuccis Notizie de’ professori del disegno (1702) malte Guido Reni zuerst die vorliegende Fassung, in der Fortuna mit dem Geldbeutel dargestellt ist. Sie war für den Bologneser Abt Giovanni Carlo Gavotti bestimmt, an den sie geliefert wurde, bevor Reni letzte Hand anlegen konnte - allerdings unter der Voraussetzung, dass Gavotti sie nicht öffentlich ausstellen sollte, bevor die finale Feinarbeit vorgenommen worden war. Der Abt hielt sich aber nicht an die Vereinbarung und bestellte nicht nur eine Druckgrafik nach dem Bild bei Simone Scarselli (vgl. F. Candi, D’après le Guide. Incisioni seicentesche da Guido Reni, D. Benati, Bologna 2016, S. 270, Nr. 141), sondern zeigte es auch bei einer der Gemäldeausstellungen, die die Adelsfamilien Bolognas regelmäßig in den Kolonnaden der Stadt veranstalteten, um in ihren Pfarrgemeinden die sogenannten „Decennali eucaristiche“ zu begehen. Verärgert über den Affront, machte sich Reni prompt an die Arbeit an einer zweiten Fassung. Einer üblichen Arbeitsweise folgend, verwendete Reni eine Vorlage, die er bereits von seinem Veroneser Schüler Antonio Giarola hatte vorbereiten lassen, und vollendete sie mit der Variante der Krone, die Fortuna statt des Geldbeutels in Händen hält. 1639 sichtete Luca Assarino dieses zweite Gemälde in Guido Renis Werkstatt und schrieb darüber (siehe L. Assarino, Sensi di umiltà e di stupor intorno la grandezza dell’Eminentissimo Cardinale Sacchetti, e le pitture di Guido Reni, Genua 1646). In weiterer Folge erwarb Monsignor Jacopo Altoviti diese zweite Fassung des Bildes, als er durch Bologna reiste, vermutlich, um seinen Cousin Kardinal Sacchetti, zwischen 1637 und 1640 päpstlicher Legat in der Stadt, zu besuchen. Er nahm das Bild mit nach Florenz, wo es von Filippo Baldinucci gesehen wurde, der geneigt war, jene zweite Fassung als „d’assai maggior pregio di quello del Gavotti“ [„von weit höherer Qualität als jene Gavottis“] zu beurteilen, obschon sie nur zum Teil eigenhändig war.

Das Gemälde „mit der Krone“ ist mit großer Wahrscheinlichkeit als jenes Werk zu identifizieren, dass sich heute in der Accademia di San Luca in Rom befindet (siehe L. Cibrario, F. Jatta, Allegoria della Fortuna di Guido Reni, in: P. Baldi, L. Cibrario, F. Jatta, Aperto per restauro. Il restauro di Venere e Amore del Guercino e dell’allegoria della Fortuna di Guido Reni, Rom 2015, S. 55-71). Weitere Hinweise zur ersten Fassung „mit Geldbeutel“ erhalten wir aus der Schrift Felsina Pittrice Carlo Cesare Malvasias (1678), dem zufolge sie, obwohl unvollendet („non finito ancora“), von Abt Gavotti verkauft wurde, der dafür das Doppelte von dem bekam, was er Reni ursprünglich bezahlt hatte: 600 Scudi („cioè seicento scudi“). Bei der im 19. Jahrhundert immer noch im Palazzo Gavotti in Genua verzeichneten Fassung handelte es sich demnach mit großer Wahrscheinlichkeit um eine Kopie, die Gavotti wohl um die Zeit des erfolgreichen Verkaufs beauftragt hatte (siehe F. Alizeri, Guida artistica per la città di Genova, Genua 1846, II, S. 641). Für die große Beliebtheit der Komposition sprechen nicht nur der bereits erwähnte Stich Scarsellis und ein stark veränderter Holzschnitt Bartolomeo Coriolanos, sondern auch zahlreiche Werkstattrepliken. Beispielsweise gelangte 1924 eine Fassung, die sich einst in der Sammlung Sacchetti in Rom befunden hatte, in die Sammlungen des Vatikans; im Sacchetti-Inventarverzeichnis heißt es, dass sie von Elisabetta Siriani (1638-1665) stamme; später wurde sie Giovanni Francesco Gessi oder Renis Werkstatt zugewiesen. Vor dem Auftauchen des vorliegenden Gemäldes galt das Bild des Vatikans als eigenhändig und wurde als jenes Werk identifiziert, das Reni für Gavotti ausgeführt hatte (siehe D. S. Pepper, Guido Reni. L’opera completa, Turin 1988, Nr. 158, Abb. 148).

Das vorliegende Gemälde kommt aus der bedeutenden Sammlung Benadduci in Tolentino, die reich an Werken von Bologneser Künstlern war (insbesondere von Reni und Guercino). Diese wurden größtenteils von Graf Benadduce Benadduci (gest. 1643) erworben, der ab 1638 in Bologna den Posten eines „Uditore di Torrone“ bekleidete. Wie Pepper und Mahon bemerkt haben, ist es sehr wahrscheinlich, dass Benadduci damals selbst das Gemälde von Abt Gavotti erwarb. Der abgelegene Standort der Sammlung Benadduci in der Provinz war der Grund, dass das herrliche Bild nur Forschern vor Ort bekannt war (Benadduci 1886) und von Reni-Experten nie ernsthaft wahrgenommen wurde (siehe C. Garboli, E. Baccheschi, L’opera complete di Guido Reni, Mailand 1971, Nr. 117b [als Werkstatt]; A Busiri Vici, Contributi per „La Fortuna“ di Guido Reni, in: Studi di Storia dell’arte in onore di Antonio Morassi, Rom 1971, S. 232; D. S. Pepper, Guido Reni, op. cit., S. 287, Nr. 1; bemerkenswert ist, dass vor dem endgültig klärenden Artikel Peppers und Mahons 1999 R. Petrangolini Benedetti Panici (1976) am Status des Gemäldes als eigenhändiges Werk Renis festgehalten hat).

Zudem ist bekannt, dass Stefano Gentiloni, ein Nachkomme der Familie Benadduci, das vorliegende Gemälde 1925 der Pinacoteca Vaticana zum Kauf anbot. Man zeigte jedoch kein Interesse, hatte man doch gerade die Sacchetti-Fassung als eigenhändiges Werk erworben.

1886 wurde das vorliegende Gemälde übermalt. Erst nach der von Pepper und Mahon angeregten Restaurierung trat die außergewöhnliche Frische und Lebendigkeit der ursprünglichen Farbschichten wieder zutage, wobei auch der unfertige Charakter („non finito“), von dem in der Literatur die Rede ist, sichtbar geworden ist. Abgesehen von den letzten Handgriffen, die den hellblauen Himmel betreffen, zeigen sich einige deutliche Pentimenti, zum Beispiel in dem die Nacktheit der Frauengestalt bedeckenden rosa Tuch, die Beinhaltung betreffend sowie im Bereich der Wolken. Gegenüber dem Gemälde des Vatikans verrät das vorliegende Bild eine viel größere Freiheit in der Ausführung. Dies steht ganz im Einklang mit dem Malstil Guido Renis um 1636/1637 bzw. zum dokumentierten Zeitpunkt der Ausführung des vorliegenden Werks, insbesondere hinsichtlich der Wiedergabe des weichen Inkarnats.

Nachdem das Bild über Jahrhunderte in Vergessenheit geraten war, ist es nun gelungen, ein wunderbares Meisterwerk ans Licht zu holen, das noch dazu zu den meistgepriesenen Gemälden aus Guido Renis letzten Jahren zählt. Abgesehen von seiner außergewöhnlichen Qualität und seinem ausgezeichneten Erhaltungszustand ist das Bild von besonderem kunsthistorischem Wert.

Wir danken Daniele Benati für seine Hilfe bei der Katalogisierung dieses Bildes.


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+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 23.10.2018 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.10. - 23.10.2018


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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