Lot Nr. 232


Mario Schifano *


(Homs/Libyen 1934–1998 Rom)
En plein air, quadro per la primavera, 1964, rückseitig (auf jeder Leinwand) signiert, betitelt und datiert, Emaille und Graphit auf Leinwand, 200 x 200 cm, Diptychon (zwei Leinwände: je 100 x 200 cm), gerahmt

Die vorliegende Arbeit ist im Archivio Mario Schifano, Rom, registriert. Ein Fotozertifikat liegt bei.

Provenienz:
Galleria Odyssia, Rom-New York (rückseitig Stempel)
Studio Marconi, Mailand
Sammlung Giancarlo Tonelli, Terni (rückseitig Stempel)
Auktion Sotheby’s Mailand, 24. November 2015, Los 47
Europäische Privatsammlung (dort vom heutigen Besitzer erworben)

Ausgestellt:
Rom, Galleria Odyssia, Mario Schifano, 1964, Ausst.-Kat. Nr. 15
Parma, Mario Schifano, Salone delle Scuderie in Pilotta, Februar - März 1974, Nr.93 mit Abb.
Parma, L'opera dipinta 1960 - 1980, Salone delle Scuderie in Pilotta, 1982, S. 210, Nr. 55 mit Abb.
Conegliano, Mario Schifano 1957-1997, Palazzo Sarcinelli Galleria comunale d'Arte, 4. April - 31. Mai, 1998, S. 87 mit Abb.
Mailand, Schifano 1960 - 1964, Dal monocromo alla strada, Fondazione Marconi, 10. Februar - 26. März 2005, S. 193 mit Abb.

Literatur:
Studio metodologico riguardante la catalogazione informatica dei dati relativi alle opere di Mario Schifano presenti presso la Fondazione M. S. Multistudio, Bd. A) 1, Opere su tela 1956 - 1982, S. 65, Nr. 64/032 mit Abb.
F. Conte (Hrsg.), Con lo Zingarelli sotto il braccio, I LIbri per Mario Schifano, Accademia dell'Arcadia, Rom 2022, S. 81, erwähnt

Ich will die Malerei malen
Mario Schifano

Das Jahr, in dem „En Plein Air. Quadro per la primavera” entstand, ist ein entscheidendes Datum im künstlerischen Werdegang Mario Schifanos: Es ist das erste Jahr, in dem er an der Biennale von Venedig teilnahm, einer höchst umstrittenen Veranstaltung, die den Goldenen Löwen an Robert Rauschenberg verlieh und damit die amerikanischen Kunst und die Pop Art endgültig auf dem internationalen Spielfeld einweihte. Es war auch das Jahr, in dem Schifano nach seiner kurzen, aber produktiven Saison in New York an der Seite der Galeristin Ileana Sonnabend nach Italien zurückkehrte. Von dieser Saison an beschäftigte sich Schifano mit den neuen Impulsen, die ihm die Galleria Odyssia und das Studio Marconi in Mailand boten.

In diesem Kontext der Experimentierfreudigkeit entstand „En Plein Air. Quadro per la primavera“. Mit einem vermeintlich bukolischen Charme bietet sich das Werk als Einstieg in eine idyllische Welt an. Und wenn einerseits die imposanten Dimensionen des Diptychons an die großen Leinwände erinnern, die für die amerikanische Schule der Nachkriegszeit typisch sind (und gleichzeitig deren abstrakt-informelle Matrix ablehnen), so wird andererseits das historische Landschaftsthema durch eine pop-impressionistische Ikonographie gefiltert: Der malerische Strich wird schnell, rasant, drängend, zuweilen ungestüm und versetzt den Betrachter in ein postmodernes Eden.

Die natürliche Landschaft umhüllt ein weicher, stumpfer Rahmen, der zart mit Fettstift nachgezeichnet wurde, und an die Fernsehbildschirme erinnert, die zu dieser Zeit in den italienischen Haushalten zu finden waren. Mit diesem einfachen Kunstgriff scheint Schifano den wachsenden Einfluss der Massenkultur und die bevorstehende Spektakularisierung und Kommerzialisierung der Kunst und der Natur selbst vorauszusehen, was zu einer tiefgreifenden Reflexion über die Rolle der Kreativität im Zeitalter der Kulturindustrie führt.
Doch Schifanos Blick ist nicht der retrospektive und nostalgische Blick des Angelus Novus von Paul Klee. Er wendet sich nicht in einem verzweifelten Versuch, dem „Sturm des Fortschritts” zu entkommen, der Vergangenheit zu, sondern ist ein kindlicher – aber niemals kindischer –Blick. Sein Blick ähnelt dem von Warhol, der die Welt mit unschuldigem Staunen betrachtet und versucht, die Widersprüche seiner Zeit zu entschlüsseln, indem er auf die Magie des Alltäglichen zurückgreift.

(...) „Die Serie dreht sich um das gleiche Bild, das einer Werbekampagne für den Volkswagen Typ 3 entnommen wurde, ein Familienauto, das von dem deutschen Automobilkonzern produziert und in Italien als Volkswagen 1500 Familcar vermarktet wurde. Das Originalbild zeigt eine Familie beim Picknick am See; Schifano hat vermutlich ein Dia auf die Oberfläche projiziert –was erklärt, warum das gemalte Bild seitenverkehrt ist -, dann die Familie ausgeschnitten und die Silhouette des Autos mit einer Maske überzogen, die vage an die Form des Autos erinnert. Das so entstandene Bild ist verwirrend, entspricht aber dem Interesse des Künstlers“ (...)

Francesco Guzzetti, Facing America: Mario Schifano, 1960-65

Ich sah seine erste Ausstellung 1964 in Rom, in der Galerie Odyssia von Quadrani. Ich kaufte ein Werk. Adami hatte Recht, als er mir riet, die Ausstellung zu besuchen. Schifano erschien mir eines der größten Talente der jüngeren Generation zu sein. Seine Werke waren unglaublich neu und spiegelten das Leben in der italienischen und internationalen Gesellschaft auf originelle und sich ständig verändernde Weise wider. Er war der sensible Künstler-Chronist seiner Zeit.

Giorgio Marconi

Experte: Alessandro Rizzi Alessandro Rizzi
+39-02-303 52 41

alessandro.rizzi@dorotheum.it

23.05.2024 - 18:00

Schätzwert:
EUR 400.000,- bis EUR 600.000,-

Mario Schifano *


(Homs/Libyen 1934–1998 Rom)
En plein air, quadro per la primavera, 1964, rückseitig (auf jeder Leinwand) signiert, betitelt und datiert, Emaille und Graphit auf Leinwand, 200 x 200 cm, Diptychon (zwei Leinwände: je 100 x 200 cm), gerahmt

Die vorliegende Arbeit ist im Archivio Mario Schifano, Rom, registriert. Ein Fotozertifikat liegt bei.

Provenienz:
Galleria Odyssia, Rom-New York (rückseitig Stempel)
Studio Marconi, Mailand
Sammlung Giancarlo Tonelli, Terni (rückseitig Stempel)
Auktion Sotheby’s Mailand, 24. November 2015, Los 47
Europäische Privatsammlung (dort vom heutigen Besitzer erworben)

Ausgestellt:
Rom, Galleria Odyssia, Mario Schifano, 1964, Ausst.-Kat. Nr. 15
Parma, Mario Schifano, Salone delle Scuderie in Pilotta, Februar - März 1974, Nr.93 mit Abb.
Parma, L'opera dipinta 1960 - 1980, Salone delle Scuderie in Pilotta, 1982, S. 210, Nr. 55 mit Abb.
Conegliano, Mario Schifano 1957-1997, Palazzo Sarcinelli Galleria comunale d'Arte, 4. April - 31. Mai, 1998, S. 87 mit Abb.
Mailand, Schifano 1960 - 1964, Dal monocromo alla strada, Fondazione Marconi, 10. Februar - 26. März 2005, S. 193 mit Abb.

Literatur:
Studio metodologico riguardante la catalogazione informatica dei dati relativi alle opere di Mario Schifano presenti presso la Fondazione M. S. Multistudio, Bd. A) 1, Opere su tela 1956 - 1982, S. 65, Nr. 64/032 mit Abb.
F. Conte (Hrsg.), Con lo Zingarelli sotto il braccio, I LIbri per Mario Schifano, Accademia dell'Arcadia, Rom 2022, S. 81, erwähnt

Ich will die Malerei malen
Mario Schifano

Das Jahr, in dem „En Plein Air. Quadro per la primavera” entstand, ist ein entscheidendes Datum im künstlerischen Werdegang Mario Schifanos: Es ist das erste Jahr, in dem er an der Biennale von Venedig teilnahm, einer höchst umstrittenen Veranstaltung, die den Goldenen Löwen an Robert Rauschenberg verlieh und damit die amerikanischen Kunst und die Pop Art endgültig auf dem internationalen Spielfeld einweihte. Es war auch das Jahr, in dem Schifano nach seiner kurzen, aber produktiven Saison in New York an der Seite der Galeristin Ileana Sonnabend nach Italien zurückkehrte. Von dieser Saison an beschäftigte sich Schifano mit den neuen Impulsen, die ihm die Galleria Odyssia und das Studio Marconi in Mailand boten.

In diesem Kontext der Experimentierfreudigkeit entstand „En Plein Air. Quadro per la primavera“. Mit einem vermeintlich bukolischen Charme bietet sich das Werk als Einstieg in eine idyllische Welt an. Und wenn einerseits die imposanten Dimensionen des Diptychons an die großen Leinwände erinnern, die für die amerikanische Schule der Nachkriegszeit typisch sind (und gleichzeitig deren abstrakt-informelle Matrix ablehnen), so wird andererseits das historische Landschaftsthema durch eine pop-impressionistische Ikonographie gefiltert: Der malerische Strich wird schnell, rasant, drängend, zuweilen ungestüm und versetzt den Betrachter in ein postmodernes Eden.

Die natürliche Landschaft umhüllt ein weicher, stumpfer Rahmen, der zart mit Fettstift nachgezeichnet wurde, und an die Fernsehbildschirme erinnert, die zu dieser Zeit in den italienischen Haushalten zu finden waren. Mit diesem einfachen Kunstgriff scheint Schifano den wachsenden Einfluss der Massenkultur und die bevorstehende Spektakularisierung und Kommerzialisierung der Kunst und der Natur selbst vorauszusehen, was zu einer tiefgreifenden Reflexion über die Rolle der Kreativität im Zeitalter der Kulturindustrie führt.
Doch Schifanos Blick ist nicht der retrospektive und nostalgische Blick des Angelus Novus von Paul Klee. Er wendet sich nicht in einem verzweifelten Versuch, dem „Sturm des Fortschritts” zu entkommen, der Vergangenheit zu, sondern ist ein kindlicher – aber niemals kindischer –Blick. Sein Blick ähnelt dem von Warhol, der die Welt mit unschuldigem Staunen betrachtet und versucht, die Widersprüche seiner Zeit zu entschlüsseln, indem er auf die Magie des Alltäglichen zurückgreift.

(...) „Die Serie dreht sich um das gleiche Bild, das einer Werbekampagne für den Volkswagen Typ 3 entnommen wurde, ein Familienauto, das von dem deutschen Automobilkonzern produziert und in Italien als Volkswagen 1500 Familcar vermarktet wurde. Das Originalbild zeigt eine Familie beim Picknick am See; Schifano hat vermutlich ein Dia auf die Oberfläche projiziert –was erklärt, warum das gemalte Bild seitenverkehrt ist -, dann die Familie ausgeschnitten und die Silhouette des Autos mit einer Maske überzogen, die vage an die Form des Autos erinnert. Das so entstandene Bild ist verwirrend, entspricht aber dem Interesse des Künstlers“ (...)

Francesco Guzzetti, Facing America: Mario Schifano, 1960-65

Ich sah seine erste Ausstellung 1964 in Rom, in der Galerie Odyssia von Quadrani. Ich kaufte ein Werk. Adami hatte Recht, als er mir riet, die Ausstellung zu besuchen. Schifano erschien mir eines der größten Talente der jüngeren Generation zu sein. Seine Werke waren unglaublich neu und spiegelten das Leben in der italienischen und internationalen Gesellschaft auf originelle und sich ständig verändernde Weise wider. Er war der sensible Künstler-Chronist seiner Zeit.

Giorgio Marconi

Experte: Alessandro Rizzi Alessandro Rizzi
+39-02-303 52 41

alessandro.rizzi@dorotheum.it


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Zeitgenössische Kunst I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 23.05.2024 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 11.05. - 23.05.2024